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holten Malen und stets ohne Vorbehalt erfolgte Annahme und Beantwortung
solcher Eingaben durch das Staatsministerium als tatsächliche Anerkennung des
Rechtsbestandes der erneuerten Landschaftsordnung auch von seiten des Landes-
herrn angesehen werden müsse, zurückgenommen und infolge dieser Erklärung
die ohnehin ganz ungegründerte Klage beim Bunde zurückgezogen sei (Rück-
schreiben vom 20. November 1829). Damit war denn jedem dienstlichen
Verkehr der ständischen Vertretung mit der höchsten Staatsbehörde ein Ende
gesetzt.
Inzwischen nahm das Verfahren bei der Bundesversammlungt) seinen
regelrechten, wenn auch langsamen Fortgang. Eine Streitschrift folgte der
anderen, ein Versuch der Stände, eine Beschleunigung der Entscheidung herbei-
zuführen, blieb ohne Erfolg. Erst unterm 20. August 1830 konnte ihr
Bevollmächtigter in Frankfurt (v. Cramm) die erfreuliche Tatsache melden, daß
die von der Bundesversammlung eingesetzte Reklamationskommission sich ein-
stimmig zu dem Antrage ermannt habe, der hohe Bund wolle dem Herzoge von
Braunschweig eröffnen, daß er in Gemäßheit des 54. und 56. Artikels der
Wiener Schlußakte die in anerkannter Wirksamkeit bestehende erneuerte Land-
schaftsordnung nicht anders als auf verfassungsmäßigem Wege abändern
könne. Als aber die Bundesversammlung selbst — in der Sitzung vom
4. November 1830 — sich endlich in der Lage sah, das entscheidende Votum
abzugeben 2), war in Braunschweig die Katastrophe längst eingetreten, der
Herzog Karl außer Landes und die Regierung vom Herzog Wilhelm, zunächst
unter Zustimmung seines Bruders, bis auf weiteres übernommen.
Alsbald nach der Flucht des Herzogs hatten sich die beiden Ausschüsse
versammelt. Sie übermittelten ihrem Bevollmächtigten in Frankfurt zur Ver-
hütung einer Einmischung des Bundestages eine Darstellung der Sachlage,
sandten Vertrauensmänner an die Höfe von Berlin und Hannover ab, suchten
nach dem Eintreffen des Herzogs Wilhelm dessen Abneigung zur Ergreifung
von Maßnahmen, die auf eine Thronentsetzung seines Bruders hinzielen könnten,
zu überwinden und beriefen auf den 27. September die Landschaft zusammen.
Diese genehmigte den Entwurf einer Adresse, in der die Regierungsweise des
Herzogs Karl eingehend geschildert und der Herzog Wilhelm „bei der auf die
Grundsätze des allgemeinen Staatsrechtes sich stützenden Unmöglichkeit, daß der
Herzog Karl die Negierung fortsetze“, gebeten wurde, die Herrschaft dauernd
zu übernehmen. In der Frühe des 27. September lief bei dem Herzog ein
Schreiben seines Bruders ein, das ihn mit der einstweiligen Ausübung der
Regierungsrechte, vorbehaltlich jedoch der Aufrechterhaltung der jetzt
bestehenden organischen Grundgesetze des Landes bevollmächtigte.
Noch an demselben Tage entsprach er den Wünschen der Stände durch ein
1) Eine ausführliche, aktenmäßige Darstellung desselben ist enthalten in der
Schrift: Die braunschweig-hannöverschen Angelegenheiten und Zwistigkeiten vor dem
Forum der deutschen Großmächte und der Bundesversammlung, 1863.
*) Bekanntlich wurde der Antrag der Kommission, wenn auch nur mit Stimmen-
mehrheit, von ihr angenommen.
Rhamm, Verfassungsgesetze. 2. Aufl. 3