Full text: Die Verfassungsgesetze des Herzogtums Braunschweig.

man jedoch den allgemeinen Wünschen des Landes und der Stimme der Erfah— 
rung das Ohr nicht habe verschließen dürfen und daß namentlich in Beziehung 
auf die der Verbesserung bedürftige Zusammensetzung der Stände die vormund- 
schaftliche Regierung selbst ihr Werk nicht als abgeschlossen angesehen habe. 
Auch ist nicht außer Betracht zu lassen, daß in der unmittelbar voraufgehenden 
Zeit mehrere deutsche Staaten 1) Verfassungen erhalten hatten, in denen die 
alte, ständische Gliederung mehr oder weniger beseitigt und eine stärkere Ver- 
tretung des Bauernstandes eingeführt war — ein Umstand, der auf die Ent- 
schließung der braunschweigischen Regierung schwerlich ohne Einfluß geblieben 
sein wird. 
Nach Ansicht der Motive hat der Entwurf der revidierten Landschafts- 
ordnung die wesentlichen Grundlagen der bisherigen Verfassung ganz oder doch 
ihrem Geiste nach beibehalten und unterscheidet sich von ihr hauptsächlich nur 
dadurch, daß die dort aufgestellten Grundsätze eine vollständigere und zeitgemäßere 
Entwickelung und eine festere und klarere Bestimmung erhalten haben. Auch 
ein Bericht des Ministeriums an den Herzog, der wohl zur Beschwichtigung 
gewisser Bedenken gegen die so schleunige Einbringung der Vorlage erstattet 
worden ist, betont nachdrücklich, daß diese eigentlich nur das schon Bestehende 
näher ausführe. In bezug auf Einteilung und Anordnung des Stoffes folgt 
der Entwurf allerdings durchaus der E. L.-O. Auch die Bestimmungen des 
Titels I über die Vertretung des Landes beruhen auf deren Grundsätzen. Die 
Motive bemerken, daß schon die E. L.-O. keine eigentlich ständische Verfassung 
sei, da man die Prälaten als wissenschaftlich gebildete und geschäftskundige 
Männer, die bei allen die Religion, Jugendbildung, Rechtsgesetzgebung und 
Staatsverwaltung betreffenden Angelegenheiten Rat und Belehrung erteilen 
könnten, in der Ständeversammlung beibehalten habe, daß auch die Ritterguts- 
besitzer nicht die Vertreter eines Standes, sondern des größeren Grundeigentums 
seien, da jeder ohne Unterschied der Geburt ein Rittergut erwerben könne, und 
daß die Abgeordneten der Städte die Interessen des Handels und der Gewerbe, 
die Freisassen die kleineren Grundeigentümer zu vertreten hätten; aber die Art 
und Weise, in der die Vertretung dieser verschiedenen staatsbürgerlichen Inter- 
essen geordnet sei, sei ungenügend. Vor allem habe die Trennung in zwei 
Sektionen beseitigt werden müssen. Ein wahres Zweikammersystem, derart, 
daß jede Kammer eine für sich bestehende getrennte Staatsgewalt bilde, sei im 
Herzogtum weder geschichtlich begründet, noch jemals in wirkliche Ausübung 
gekommen, noch passe es auf ein Land von der Größe des unseren; der in den 
beiden Sektionen geschaffene Mittelzustand zwischen dem Ein= und Zweikammer- 
system aber biete zwar manche Nachteile des letzteren dar, dahingegen keinen 
seiner Vorteile, besonders nicht den sehr wesentlichen, daß der Beschluß einer 
Kammer stets noch der nachfolgenden Beratung der anderen unterworfen 
  
1) Sachsen-Meiningen (1829), Schwarzburg-Sondershausen (1830), Kurhessen 
(5. Januar 1831), Sachsen-Altenburg (29. April 1831). Außerdem lagen Verfassungs- 
entwürfe vor für Sachsen (1830) und Hannover (1831).
	        
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