Full text: Die Verfassungsgesetze des Herzogtums Braunschweig.

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Vertretern der Landgemeinden, denen die Anzahl der auf das flache Land ent- 
fallenden Abgeordneten im Vergleich zu denen der Städte und des großen Grund- 
besitzes zu gering bemessen schien. Der Staatsminister v. Schleinitz nahm daher, 
indem er eine Verständigung mit der Landesversammlung auf Grund der Kom- 
missionsanträge in Aussicht stellte, nochmals Gelegenheit, den Ernst der Lage zu 
betonen und selbst auf die Möglichkeit einer Oktroyierung der Verfassungsänderung 
mit Hilfe des Bundestages hinzudeuten. War doch eben erst in Kurhessen der 
reaktivierte Bundestag mit gewaffneter Hand, den „Strafbayern“, zur Her- 
stellung des gesetzlichen Zustandes gegen die Stände vorgegangen! „Welche 
Entschließung Se. Hoheit fassen werde, wenn die Versammlung die Vorlage 
ablehne — warnte der Minister —, wisse er zwar nicht, wohl aber könne er 
vorhersagen, daß alle verfassungsmäßigen Mittel würden angewendet werden, 
um die Vertretung des Landes in einer den Verhältnissen entsprechenden Weise 
zu ordnen, und wenn diese Mittel nicht ausreichten, könne die Regierung sich 
auch auf das Bundesrecht stützen; er wünsche aber nichts weniger, als daß die 
Notwendigkeit sich ergebe, diesen Weg zu betreten." 
Gleichwohl erfolgte die Annahme der einzelnen Gesetzesparagraphen nach 
Maßgabe der Kommissionsanträge nur mit einer nicht erheblichen Stimmen- 
mehrheit (28 gegen 21 Stimmen), für die Kommission ein unabweisliches 
Gebot, zu der Schlußabstimmung über das Gesetz unter allen Umständen eine 
Vermittelung mit den Wünschen der widerstrebenden ländlichen Abgeordneten 
anzubahnen. Eine solche wurde auch, ohne namhafte Zugeständnisse zu be- 
dingen, gefunden. Als man am 18. November 1851 zur Abstimmung über 
das Ganze des Gesetzes schritt, erklärte Reuter-Braak für sich und namens 
einiger Freunde, die gleich ihm in der zweiten Lesung der Minderheit angehört 
hätten, daß sie dem Gesetze zustimmen würden, wenn den Landgemeinden noch 
ein Abgeordneter zugelegt, die Gesamtzahl der Landtagsmitglieder daher auf 46 
erhöht werde. Der Staaatsminister stellte die Genehmigung dieses Wunsches 
durch die Landesregierung in Aussicht; ein Versuch der äußersten Linken, unter 
Berufung auf Bestimmungen der Geschäftsordnung die nachträgliche Zulassung 
des Vermittelungsvorschlages abzuwenden, wurde vom Präsidenten abgewehrt 
und nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung dem Gesetz mit der bezeich- 
neten Anderung in namentlicher Abstimmung durch 37 gegen 15 Stimmen 
die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt. Am Tage darauf gelangte auch 
das Wahlgesetz, das übrigens nur der einfachen Stimmenmehrheit bedurfte, 
gegen 12 verneinende Stimmen zur Annahme. Beide Gesetze sind veröffent- 
licht unterm 30. November 1851 (Gesetz= und Verordnungssammlung Nr. 48 
und 49). 
III. Die ersten, noch schüchtern unternommenen Versuche, die Grundlagen 
der Gesetzgebung vom November 1351 umzugestalten, beschränkten sich auf das 
Wahlgesetz und endeten mit völligem Mißerfolg. Zunächst ward auf dem 
11. ordentlichen Landtage (1864) der Antrag eines Abgeordneten (Baumgarten- 
Hasselfelde) auf Einführung eines unmittelbaren Wahlrechts bei den Wahlen 
der Abgeordneten der Stadt= und Landgemeinden völlig, auch unter Verwerfung 
Rhamm, Verfassungsgesetze. 2. Aufl. 5
	        
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