Full text: Die Verfassungsgesetze des Herzogtums Braunschweig.

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Anderung der Gesetzgebung über die Zusammensetzung der Landesversammlung, 
sowie eines Gesetzes, betreffend Anderung des Wahlgesetzes, zur Beratung vor. 
Hinsichtlich der einzuführenden Neuerungen hatte sie sich in beiden Gesetzen, von 
den Schwierigkeiten ausgehend, auf die alle seit 1851 unternommenen Ande- 
rungsversuche gestoßen waren, auf das unumgänglich Notwendigste beschränkt. 
Nach der ersterwähnten Vorlage hatten die Wahlkörper der höchstbesteuerten 
Grundbesitzer, Gewerbetreibenden und wissenschaftlichen Berufsstände nur je 
einen Abgeordneten weniger zu wählen, und es waren die hierdurch frei werden- 
den drei Sitze für Abgeordnete aus der Zahl der höchstbesteuerten Einkommen- 
steuerpflichtigen bestimmt. Die übrigen Anderungen betrafen hauptsächlich die 
Verteilung der Abgeordneten der höchstbesteuerten Grundbesitzer auf die beiden 
Klassen und die Zusammensetzung der Wahlkörper. Im Entwurf des Wahl- 
gesetzes war unter anderem die nach den bisherigen Bestimmungen bei den Wahlen 
der Abgeordneten der Landgemeinden stattfindende doppelte Wahlmännerwahl 
beseitigt, der Wahlkörper der Berufsstände durch Erhöhung des zur Wahl berech- 
tigenden Dienst= oder Berufs-Mindesteinkommens auf 4500 Mk. erheblich ein- 
geschränkt, das zu der Wahl der höchstbesteuerten Einkommensteuerpflichtigen 
befähigende Einkommen in der Stadt Braunschweig auf mehr als 12 500 Mk., 
im übrigen Herzogtum auf mehr als 10 000 Mk. festgesetzt, für unentschuldigtes 
Ausbleiben im Wahltermin eine Geldstrafe eingeführt und an Stelle der bisherigen 
Stimmabgabe zu Protokoll geheime Wahl mittels verschlossener Stimmzettel gesetzt. 
Die beiden Vorlagen riefen in der Landesversammlung eine allgemeine 
Enttäuschung hervor. In Beziehung auf die anderweite Zusammensetzung des 
Landtages war man von vornherein allseitig darüber einig, daß der Vorschlag 
der Regierung — Einreihung eines besonderen Wahlkörpers der höchstbesteuerten 
Einkommensteuerpflichtigen in das alte System unter sonst nahezu unveränderter 
Beibehaltung des letzteren — nicht als annehmbar erscheinen könne. Bei dem 
Wahlgesetz wurde mit gleicher Entschiedenheit die Beibehaltung der Bestimmung, 
die bei den Wahlen der Abgeordneten der Stadt= und Landgemeinden den Wahl- 
körper aus dem Magistrat und Stadtverordneten, bzw. dem Gemeindevorsteher 
und Gemeinderat nebst einer festgesetzten Anzahl von Wahlmännern zusammen- 
setzte, beanstandet, von manchen Seiten auch Einführung direkter Wahlen als 
wünschenswert hingestellt. Im einzelnen gingen aber die Ansichten namentlich 
hinsichtlich der Zusammensetzung des Landtages je nach der Verschiedenheit des 
politischen Standpunktes, wie auch der Berufs= und Standesinteressen weit aus- 
einander. Durchdrungen vom Bewußtsein der Notwendigkeit, schon im Hinblick 
auf die Aufrechterhaltung der eben erst eingeführten Steuerreform zu einer Ver- 
ständigung über die Vorlagen zu gelangen, und mit Recht überzeugt davon, daß, 
wenn die gegebene Veranlassung nicht ausgenutzt werde, in absehbarer Zeit sich 
kaum wieder eine Gelegenheit darbieten werde, grundlegende Anderungen der 
Verfassungsgesetzgebung vorzunehmen, beschränkte die zur Beratung der Gesetz- 
entwürfe eingesetzte Kommission 1) sich nicht darauf, die ihr wünschenswert 
1) Mitglieder: Semler, v. Seelen, v. Rosenstern, Bodemann, Reuter, Wehren- 
pfennig, Schwerdtfeger; Berichterstatter: v. Seelen, auf dessen redliches Bemühen und 
 
	        
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