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Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ging der Proba-
bilismus (meist in Folge der ihn angreifenden Provinzial-
briefe Pascals) entschieden zurück, erfuhr viele Verurteilungen
und selbst (loben S. 74) päpstliche Verdammungen, und
einige Jesuiten suchten die angefochtenen Ansichten von ihren
Orden abzuwälzen. Ihr Ordensbruder Cardenas aber ver-
teidigte die verworfenen Sätze geradezu und bestand darauf,
daß es erlaubt sei, ein Verbrechen abzuleugnen, wenn man
in Gedanken Zusätze mache (Diss. 19, c. 2, N. 14). Die
Dominikaner fielen vom Probabilismus ganz ab; die Jesuiten
aber wandten sich ihm nur noch mehr zu, und Thomas
Tamburini trieb dieses System 1654 geradezu auf die
Spitze, ebenso Anton de Sarasa (1667), welcher lehrte,
das Gewissen dürfe der Meinung eines einzigen gelehrten
Mannes folgen, auch einer fremden Meinung, die der eigenen
widerspreche, und einer probabeln mit Beseitigung der sicheren.
Als der laxeste Moralprediger aber galt der Engländer Anton
Terillus (1668). Dagegen verweigerten die Ordens-
oberen dem Jesuiten Elizalde die Erlaubnis zum Drucke
seines antiprobabilistischen Werkes und der General Oliva
bedrohte ihn mit den schwersten Strafen. Begreiflich; denn
Elizalde sagt von den Schriften seiner Gegner im Orden:
„Ich suchte Christus, er war nicht da. Ich suchte die Liebe Gottes
und des Nächsten, sie war nicht da. Ich suchte das Evangelium
es war nicht da. Ich suchte die Demut, sie war nicht da,
. . . . . Das Ewvangelium ist einfach und widerspricht aller
Doppelzüngigkeit; es kennt nur Ja, Ja, Nein, Nein. Der
moderne Moralismus aber ist nicht einfach, sondern gebraucht
jenen doppelzüngigen Probabilismus und hat Ja und Nein
zusammen, da seine Regel die Probabilität einander wider-
sprechender Sätze ist.“ Ja, der Jesuit Sanvitale sprach
dem Elizalde die Gelehrsamkeit und Tugend ab und be-
hauptete geradezu, ein Gegner des Probabilismus habe in
der Gesellschaft Jesu keine Berechtigung!! Ebenso wies