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letzte Papst Pius IX. war ein guter Mann, von den besten
Absichten erfüllt, die sein Standpunkt zuließ; aber er hatte
die Schwäche, daß er jede Gelegenheit ergriff, um seine
Macht und seine Würde hervortreten zu lassen. Dies hatten
die Jesuiten längst durchschaut und ließen ihn daher, auf
seine Liebhaberei eingehend und ihn glauben machend, daß er
aus eigenem Willen handle, diejenigen Maßregeln ausführen,
welche ihr System für passend hält, um dem Orden die
unbedingte Herrschaft über die Kirche und damit über die
größten Volksmassen der Christenheit zu sichern. Wir ver-
stehen darunter: 1) die Dogmatisierung der unbefleckten
Empfängnis Marias, 2) die Encyklika, welche die „Irr-
tümer der Zeit verdammt,“ mit dem angehängten Sylla-
bus, und 3) den Konzilbeschluß über die päpstliche Un-
fehlbarkeit.
Daß diese letztere Entscheidung der Zeit nach mit der
Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland zusammenfiel,
halten wir für keinen Zufall. Freilich wurde jenes Unter-
nehmen mit der Auflösung des Kirchenstaates und dieses mit
der Zertrümmerung des Kaiserreiches und der Demütigung
der angreifenden Macht beantwortet. Aber daß die Ultramon-
tanen überall mit Frankreich sympathisieren, daß sie überall
Deutschland und diejenigen dieses Landes wenigstens dessen
Regierung hassen und anfeinden, ist bekannt. Auch ist es
gewiß kein zufälliges Zusammentreffen, daß, während Frank-
reich um ein Bündnis mit Rußland gegen Deutschland buhlt
und diesem zulieb seine früheren Sympathien mit den Polen
weggeworfen hat, die österreichischen Ultramontanen mit den
dortigen Slawen zusammenhalten, deren Ideal die Losreißung
von Osterreich und die Vereinigung mit Rußland ist, und
daß der kroatische Bischof Stroßmayr, dieser ehemalige
Gegner der päpstlichen Unfehlbarkeit, an die russische Kirche
eine Glückwunschadresse senden durfte, ohne vom Papste
auch nur eine Zurechtweisung zu erhalten. Es ist auch be-
Henne am Rhyn, Jesuiten. 4