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a. ausdrücklich: was ein einziger gelehrter Mann behaupte,
erhalte hierdurch, wenn auch hundert dagegen sind, einen
Grad von Wahrscheinlichkeit (probabilitas) und dürfe daher
unbedenklich vollführt werden. Halten nun mehrere Doctores
graves, die Einen eine That für erlaubt, die Andern die-
selbe für nicht erlaubt, so hat man die Wahl, sie zu ver-
üben oder nicht. Emanuel Sa geht noch weiter und sagt:
„Man kann thun, was man nach einer wahrscheinlichen
Meinung für erlaubt hält, wenn auch das Gegenteil vor
dem Gewissen sicherer ist,“ und Escobar: man dirfe einer
weniger wahrscheinlichen Meinung mit Hintansetzung der
wahrscheinlichern folgen, ja sogar die sicherere aufgeben und
der eines Andern folgen, wenn dieselbe nur ebenfalls wahr-
scheinlich ist. — Es versteht sich nun aber von selbst, daß
ein Jesuit unter mehreren mehr oder weniger „wahrschein-
lichen" (probabeln) Handlungsweisen stets diejenigen ins
Werk setzen, beziehungsweise Anderen anraten wird, welche
seinem Orden vorteilhafter (magis conveniens Nostris)
ist, — sie möge gut oder schlecht sein (Declar. in Const. III.
1. O. VIII, 1 K).
Am gefährlichsten erscheint diese Theorie in Bezug auf
eine der bedeutendsten Thätigkeiten des Ordens, diejenige im
Beichtstuhle. Die Jesuiten Vasquez und Escobar lehren
z. B., der Beichtvater dürfe dem Beichtkinde unter Um-
ständen auch eine weniger wahrscheinliche, ja sogar eine
gegen seine eigene Absicht streitende Handlungsweise an-
raten, wenn dieselbe leichter und vorteilhafter sei, und der
Ordensmann Bauny ergänzt dies durch die Versicherung:
wenn die Ansicht, nach welcher Jemand handelte, probabel
sei, so müsse ihn der Beichtvater absolvieren, auch wenn er
selbst eine ganz andere Ansicht hege, und wenn er sich dessen
weigere, so begehe er eine Todfsünde, — womit auch Sanchez
und Suarez übereinstimmen.
Lehmkuhl faßt seine Ansicht über den Probabilismus