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kirchlichen Gerichtsbarkeit auch die Personen, die sich von
der Kirche getrennt haben, verlangt gegen die „Ketzer“ die
große Exkommunikation, den Verlust aller Ehren, der sogar
auf ihre Kinder und Neffen ausgedehnt werden soll, die
Konfiskation sämtlicher Güter, den Verlust des Erbrechtes,
der väterlichen Gewalt u. s. w., und erklärt den Staat
pflichtig, „im Auftrage der Kirche“ beharrliche Ketzer mit
dem Tode zu bestrafen. Ja noch in unseren Tagen (1872)
behauptete das Jesuitenorgan „civiltà cattolica“, die katho-
lische Kirche habe das Recht, sogar Protestanten und
griechische Katholiken mit den schwersten körperlichen Strafen
(also auch mit dem Scheiterhaufen!) zu belegen. Natürlich
verdammen daher die Jesuiten (besonders der genannte
Beccanus a. a. O. pag. 362, und Paul Laymann Thool.
mor. Würzb. 1748, t. I, pag. 268) die Religionsfreiheit
mit den schärfsten Worten und nennen sie staatsgefährlich.
Die Jesuiten dulden heißt also: die Religionsfreiheit ächten!
Noch ebenso feindlich stehen aber auch in unserer
Zeit die Jesuiten der Gewissensfreiheit gegenüber. Ihr
Organ, die Civilta cattolica, drückte seine Freude darüber
aus, daß die Enchklika und der Syllabus Pius des IX.
vom 8. Dez. 1864 „die ganze jetzige Weltanschauung von
den Rechten des Gewissens und des religiösen Glaubens
und Bekenntnisses“ verdammen, und fuhr sort: „Es ist eine
arge Verirrung, Protestanten zu gleichen politischen Rechten
mit den Katholiken zuzulassen oder protestantischen Ein-
wanderern die freie Ausübung des Gottesdienstes zu ge-
statte.“ Dasselbe Blatt nannte 1869 die Gewissens= und
Kultusfreiheit „Wahnsinn und Verderben“. Der Jesuit
Liberatore nannte sie 1871 „eine reine Tollheit“. Ja,
der Jesuit Brunengo ging 1891 so weit, die Inquisition
zu lobpreisen und entgegen den sonstigen Behauptungen der
Ultramontanen, ihren kirchlichen Ursprung und Charakter
und das Recht der Kirche, sogar weltliche Strafen zu ver-