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heil. Ignatius zu sterben, um vor dem Richterstuhle Gottes
Gnade zu finden." Nach dieser Uberlieferung soll jene
tröstliche Verheißung dem Jesuitengeneral Franz Borgia
und anderen Gliedern oder Verehrern des Ordens offenbart
worden sein (das Nähere s. Döllinger und Reusch, Gesch.
der Moralstreitigkeiten in der röm.-kathol. Kirche u. s. w.
I. 524 ff., II. 347 ff.).
Wie eine eigene Seligkeit, so haben die Jesuiten auch
einen eigenen Kultus. In diesem ist von Gott fast
gar keine, von Christus wenig die Rede. Der Kultus der
Jesuiten und der von ihnen beeinflußten Kreise richtet sich
an Maria, welche in allem die erste Rolle spielt, an Petrus
und an das von dem Erlöser selbst durchaus unterschiedene
Herz Jesu. Unter dem letztern versteht man nun nicht
etwa im geistigen Sinne die Seele oder die Liebe Jesu,
sondern geradezu das körperliche, fleischliche Herz, das im
siebenzehnten Jahrhundert der excentrischen Nonne Mar-
garetha Alacoque erschienen sein soll und seinen eigenen
Wallfahrtsort zu Paray le Monial in Frankreich hat.
Mit der Zeit sind ihm auch das Herz Maria's und
das des heil. Joseph an die Seite getreten, und es giebt
jetzt besondere Gebete zu den drei heiligen Herzen. Noch
später ist der Kultus der heiligen Anna dazu gekommen.
Wir sind weit entfernt, frommen Glauben des Volkes
nicht zu achten; allein hier handelt es sich nicht um diesen,
sondern um einen von den JFesuiten zu Zwecken ihrer
Herrschsucht erdachten modernen Götzendienst. Das Volk
war Jahrhunderte lang fromm, ehe jene Neuerungen er-
schienen, und wird durch sie nicht frömmer, sondern
nur verwirrt und von der Hauptsache in der Religion
abgelenkt. Die sich die „Magd des Herrn“ nannte, wird
zm einer Göttin gemacht, und in ganz überflüssiger und
sinnloser Weise wird das „Herz“ heiliger Personen von
seinen Trägern getrennt und zu einer Idolatrie benutzt,