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In Zürich war der Damenverein für Hebung der
Sittlichkeit auf das Treiben einer Hurenwirtin zu Riesbach
aufmerksam geworden, welche sich „hoher“ Protektion in dem
demokratischen Staatswesen erfreute und in Zeitungsinseraten
französische Bonnen suchte, angeblich für ihr Nachbarhaus.
Am Tage nach Weihnacht flohen in der That zwei junge
Französinnen von 16 und 19 Jahren aus dem Käfig der
Megäre in das Marthahaus. Das Comité des Frauenvereins
erhob (1892) gerichtliche Klage gegen das Weib. Es zeigte
sich, daß eine französische Kupplerin die Mädchen aufgegriffen,
korrumpiert und nach Zürich gesandt hatte; dies machte sie
so: sie hielt eine Pension für Mädchen, und so oft eines der-
selben kein Geld hatte, bot sie ihm ihre Hilfe an und führte
es auf raffinierte Weise in die Arme des Lasters. An den
zwei genannten Mädchen nun hatte die Züricher Megäre
in 6 Wochen über 1000 Fr. „verdient“, ihnen aber nicht
einmal die notwendige Kleidung gewährt, so daß sie durch-
froren im Zufluchtshause ankamen. Auch hatten sie keinerlei
Schriften und verstanden kein Wort deutsch. Vor den Richter
citiert, erschien die Sklavenhalterin in prachtvollem Schlitten,
stattlich gekleidet und mit Bedienung. Der Richter empfing
sie mit Bücklingen, und sie trat den Damen vom Verein mit
herausfordernden Blicken und spöttischer Miene gegenüber, —
so daß man sie für die Klägerin und die Damen für die
Angeklagten halten konnte. Natürlich wurde die Sache
niedergeschlagen, die privilegierte Verbrecherin entlassen, und
die Damen konnten froh sein, ohne Kosten wegzukommen!)
Als in Zürich ein berüchtigtes Bordell, die „Arche
Noah“ genannt, 1887 abbrannte und ein anderes durch den
Tod der Besitzerin sein Ende nahm, suchten die Nachbaren
um die Verhinderung der Einrichtung einer neuen Laster-
höhle nach; ob es etwas half, ist unbekannt. Zu derselben