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„höheren“ ist, nach deren Durchgang aber die gemeinere
folgt und von Stufe zu Stufe abwärts führt. Es besteht
in Berlin, um den mehr und mehr ins Stocken geratenen
Zuzug neuer — besonders weiblicher — Kräfte für das
Corps de Ballet zu sichern, eine von der General-Intendanz
der königlichen Schauspiele ressortierende und mit bedeutenden
Mitteln ausgestattete sogenannte Balletschule. Alljährlich
findet eine Musterung der Exspektanten statt, bei deren
Schilderung man unwillkürlich an einen „Remonte-Markt“
oder an „Onkel Tom's Hütte“ erinnert wird. Diejenigen
Kinder nämlich, deren Angehörige entweder durch gewisse
Schönheitjäger (man neunt als besonders thätig und routiniert
in der Wahl gqualifizierter Subjekte während seiner Sommer-
reisen einen Offizier a. D.) oder durch den Erfolg von
Aspirantinnen aus ihrem Orte auf die Vergünstigungen der
Balletschule aufmerksam gemacht worden sind und ihrem
hübschen Fleisch und Blut gern den mühelosen Eintritt in
eine „höhere“ soziale Stellung verschaffen möchten, werden
sämtlich im Beisein der an der Sache und für die Sache
Interessierten durch den Theaterarzt in Betreff der Infallibilität
der Zähne, der Fesselgelenke, der Kniee, der Figur, der
Proportion der Hände und Füße, sowie — falls genügende
Auswahl vorhanden — auch selbst des Profils untersucht.
Die geeignet Befundenen — etwa gegenwärtig ein Drittel
der Exspektanten — werden sodann zu bestimmten Familien
in Kost gegeben und unter sich trotz „Schulzwang“ und
„Allgemeiner Ministerialbestimmungen“ etwa zwei Stunden
täglich aufs Notdürftigste im Lesen, Schreiben, Rechnen und
in französischer Kunstsprache, in der Religion gar nicht, in
gymnastischen und Tanzübungen dagegen (nach der Meinung
der Kinder) bis zum Überdruß unterrichtet. Auf die Frage:
„Was wird aus diesen Mädchen?" antwortete dem Bericht-
erstatter, dem wir diese Angaben verdanken, der Begleiter
einer Schar zu dieser Satans-Priesterschaft angeworbener