Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

— 172 — 
„höheren“ ist, nach deren Durchgang aber die gemeinere 
folgt und von Stufe zu Stufe abwärts führt. Es besteht 
in Berlin, um den mehr und mehr ins Stocken geratenen 
Zuzug neuer — besonders weiblicher — Kräfte für das 
Corps de Ballet zu sichern, eine von der General-Intendanz 
der königlichen Schauspiele ressortierende und mit bedeutenden 
Mitteln ausgestattete sogenannte Balletschule. Alljährlich 
findet eine Musterung der Exspektanten statt, bei deren 
Schilderung man unwillkürlich an einen „Remonte-Markt“ 
oder an „Onkel Tom's Hütte“ erinnert wird. Diejenigen 
Kinder nämlich, deren Angehörige entweder durch gewisse 
Schönheitjäger (man neunt als besonders thätig und routiniert 
in der Wahl gqualifizierter Subjekte während seiner Sommer- 
reisen einen Offizier a. D.) oder durch den Erfolg von 
Aspirantinnen aus ihrem Orte auf die Vergünstigungen der 
Balletschule aufmerksam gemacht worden sind und ihrem 
hübschen Fleisch und Blut gern den mühelosen Eintritt in 
eine „höhere“ soziale Stellung verschaffen möchten, werden 
sämtlich im Beisein der an der Sache und für die Sache 
Interessierten durch den Theaterarzt in Betreff der Infallibilität 
der Zähne, der Fesselgelenke, der Kniee, der Figur, der 
Proportion der Hände und Füße, sowie — falls genügende 
Auswahl vorhanden — auch selbst des Profils untersucht. 
Die geeignet Befundenen — etwa gegenwärtig ein Drittel 
der Exspektanten — werden sodann zu bestimmten Familien 
in Kost gegeben und unter sich trotz „Schulzwang“ und 
„Allgemeiner Ministerialbestimmungen“ etwa zwei Stunden 
täglich aufs Notdürftigste im Lesen, Schreiben, Rechnen und 
in französischer Kunstsprache, in der Religion gar nicht, in 
gymnastischen und Tanzübungen dagegen (nach der Meinung 
der Kinder) bis zum Überdruß unterrichtet. Auf die Frage: 
„Was wird aus diesen Mädchen?" antwortete dem Bericht- 
erstatter, dem wir diese Angaben verdanken, der Begleiter 
einer Schar zu dieser Satans-Priesterschaft angeworbener
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.