Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Gesetz, betreffend die Verfassung des deutschen Reichs. Art. 11. 105 
zelstaaten, so können die letzteren so lange und insoweit, als nicht das 
Reich von seiner Vertragsbefugniß Gebrauch gemacht hat, über die be- 
treffende Materie Verträge schließen. In allen ausschließend in die 
Zuständigkeit der Einzelstaaten fallenden Materien endlich sind dieselben 
nach wie vor zum Abschlusse von Verträgen berechtigt. 
Das den Einzelstaaten hienach zukommende Vertragsrecht kann so- 
wohl gegenüber fremden als gegenüber deutschen Staaten ausgeübt werden; 
in letzterer Hinsicht ist jedoch zu berücksichtigen, daß Materien, welche 
durch Reichsgesetz geregelt sind wie z. B. das Zollwesen sich nicht mehr 
zu Vertragsobjekten zwischen den einzelnen Bundesstaaten eignen. 
Nach diesen Grundsätzen ist auch die Frage über den Fortbesland 
der von den einzelnen Bundesstaaten bereils vor ihrem Eintritle in das 
Reich unter sich oder mit fremden Staaten abgeschlossenen Verträge zu 
beurtheilen. Verträge, welche der norddeutsche Bund für sich eingegangen 
hat, werden nicht ipso jure als für das ganze Neich verbindlich zu er- 
achten sein. 
c. Dem Ermessen des Bundespräsidiums ist es anheimgegeben, ob 
es in einzelnen Fällen Vertreter der Einzelstaaten oder den Bundesraths- 
ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu den Verhandlungen über die 
für das Reich abzuschließenden Verträge beiziehen will; nur in Bezug auf 
den Abschluß von Post= und Telegraphenverträgen ist in Nr. XI des 
bayrischen Schlußprokokolls bestimmt, daß zum Abschlusse solcher Verträge 
„mit außerdeutschen Stanten zur Wahrung der besonderen Landesinter- 
essen Vertreter der an die betreffenden außerdeutschen Staaten angrenzenden 
Bundesstaaten zugezogen werden sollen, und daß den einzelnen Bundes- 
staaten unbenommen ist, mit anderen Staaten Verträge über das Postl- 
und Telegraphenwesen abzuschließen, sofern sie lediglich den Grenzverkehr 
betreffen."“ 
9. a. Es isl hier nur von Gesandten bei auswärtigen Höfen und 
von nichtdeutschen Gesandten die Rede. Innerhalb des Reichsgebietes gibt 
es keine Reichsgesandlen mehr; die bei den einzelnen deutschen Höfen be- 
glaubigten Gesandtschaften des norddeutschen Bundes wurden daher einge- 
zogen resp. in prenßische umgewandelt; siehe hierüber die stenog. Ber. 
des Reichstags 1871 S. 779. 
b. Das auch nach der norddeulschen Bundesverfassung bestehende 
Recht der einzelnen Bundesstaaten bei anderen Hösen zur Vertretung der 
speciellen — nicht in das Gebiet der hohen Politik übergreifenden — 
Landesinteressen Gesandtschaften zu erhalken ist durch die Verfassung nicht 
aufgehoben. Gegenüber Bayern hat sich das Bundespräsidium in Ziff. VII 
des bayrischen Schlußprotokolls verpflichtet, den bayrischen Gesandten an 
denjenigen Höfen, an welchen Reichsgesandte sich befinden, zur Vertretung 
der letzteren in Verhinderungsfällen zu bevollmächtigen. 
Außerdem erhielt Bayern in Ziff. VIII des Schlußprotokolls die
	        
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