Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Gesetz, betresfend die Verfassung des deutschen Neichs. Art. 20. 111 
heiten der Grundsatz ausgesprochen, daß die Verlezung der im Reglement 
vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten, insbesondere der Bestimmungen 
über Anfertigung, öffentliche Auslage, Abschluß und Unterzeichnung der 
Wählerlisten, ferner über die Zahl der Milglieder des Wahlvorstandes 
(Stenogr. Ber. S. 77) und die Führung der Wahlprotokolle, eine Nichlig- 
keit der betreffenden Wahl zur Folge habe. Mit Rücksicht auf die bei 
den letzten Wahlen bezüglich der Führung der Gegenliste vorgekommenen 
Unregelmäßigkeiten") hat der Bundesrath auf Wunsch des Reichstags ein 
Schema für die Gegenliste vorgeschrieben, welches den bayrischen Behörden 
durch Ministerialenlschließung vom 22. Mai 1871 Nr. 4969 bekannt 
gegeben wurde. 
Die Eintheilung der Wahlkreise wurde vom Bundesrathe vorge- 
genommen, in Bayern jedoch für das erstemal gemäß Ziff. III 8 2 des 
Vertrags durch die bayrische Regierung.“) 
Hinsichtlich der Bildung der Abstimmungsbezirke, welche den von 
den Landesregierungen bezeichneten und in Beilage D des Wahlreglements 
bekannt gemachten Behörden zusteht, wurden im Reichstage mehrfache 
Rügen und Beanstandungen beschlossen, indem in einzelnen Fällen zu 
kleine Bezirke gebildet wurden, so daß es nicht möglich gewesen ist, für 
den Wahlvorstand die geeignete Anzahl von Mitgliedern zu finden (Sten. 
Ber. 1871 S. 13), während man in anderen Fällen von der Negel, 
daß wo möglich jede Gemeinde für sich einen Wahlbezirk zu bilden habe, 
abgewichen ist und eine größere Zahl von Gemeinden zusammengelegt hat 
(Sten. Ber. S. 256 
Weitere Rügen und Beanstandungen wurden im Reichstage be- 
schlossen wegen ungerechtserligten Einflusses von Seile einzelner Behörden 
und polizeilicher Vollzugsorgane dann wegen Mißbrauch des geistlichen 
Einflusses; vergl. Stenogr. Ber. 1871 S. 41, 228 ff., 284, 567, 783. 
Ferner wurde im Reichstage ausgesprochen, daß da, wo andere 
Lokale zur Verfügung stehen, Gastwirthschaften nicht zu Wahllokalen be- 
stimmt werden sollten (Sten. Ber. S. 13). Die Aufnahme von Militär- 
personen in die Wählerliste und die Betheiligung derselben an der Wahl 
hatte die Ungiltigkeit der sämmtlichen in dem betreffenden Wahlbezirke ab- 
gegebenen Stimmen zur Folge (Sten. Ber. 1871 S. 12). Sodann 
wurde im Reichstage anerkannt, daß die Wahlkreiskommissäre nicht be- 
fugt seien, Stimmen, welche von dem Wahlbezirksvorstande als giltig er- 
klärt wurden, für ungiltig zu erklären (Sten. Ber. 1871 S. 13 u. 20). 
Eine Wahl endlich, in welcher ein Abgeordneter nur mit sehr ge- 
ringer Majoritãt gewählt war, wurde vom Reichstage beanstandet, weil 
Eine Zusammenstellung vorkekommene- Unregelmäßigkeiten sindet sich in 
Nr. 138 der Drucksachen des Reichslags von 187 
Siehe hiezu die Bekanntmachung des Bundesraths vom 27. Febr. 1871 
(Reichsgeseybl. S. 35).
	        
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