Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

112 Gesetz, betresjend die Verfassung des deutschen Neichs. Art. 21 u. 22. 
eine größere Anzahl von Wählern, deren Stimmabgabe einen Einfluß auf 
das Wahlergebniß hätte äußern können, durch Nakurereigniß verhindert 
war, sich an der Wahl zu betheiligen; (Stenogr. Ber. des Reichstags 
1871 S. 27 ff.). 
4. In Art. 5 des Wahlgesehes ist zwar die Zahl der in jedem 
Staate des früheren norddeutschen Bundes zur Zeit zu wählender Abge- 
ordneten genau bestimmt, jedoch in Absatz III beigefügt: „Eine Ver- 
mehrung der Zahl der Abgeordneten in Folge der steigenden Bevölkerung 
wird durch das Gesetz bestimmt." 
Art. 21. 
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag. 
Wenn ein Mitglied des Reichstages ein besoldetes Reichsamt 
oder in einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt 
oder im Reichs= oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit 
welchem ein höherer Nang oder ein höheres Gehalt verbunden 
ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem Reichstag und kann 
seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wieder erlangen.) 
1. Der Ausdruck „Beamte“ muß hier im weitesten Sinne genom- 
men werden. 
Die Frage, ob Beamte verpflichtet werden können, im Falle ihres 
Eintrittes in den Reichstag die Kosten der Stellvertretung in ihrem Amte 
zu bezahlen, ist in der Reichsverfassung nicht entschieden und daher nach 
dem speciellen Landesrechte zu beurtheilen. In Bayern waren derartige 
Anforderungen an Beamte nie üblich. Vergl. hiezu von Rönne deutsches 
Verfassungsrecht Abthlg. III, Abschnitt III lit. D Note 2, c (Hirth's 
Annalen IV S. 248 u. 249). 
2. Der zweite Absatz des Art. 21 verdankt seine Entstehung einem 
Beschlusse des constituirenden Reichstags von 1867. 
Art. 22. 
Die Verhandlungen des Neichstages sind öffentlich.) 
Wahrheitsgelreue Berichte über Verhandlungen in den öffent- 
lichen Sitzungen des Neichstages bleiben von jeder Verantwort- 
lichkeit frei.) 
1. a. Die Oeffentlichkeit kann nach § 33 der Geschäftsordnung 
des Reichstags pro 1871 unter Umständen ausgeschlossen werden. Eine 
Abweichung von der Verfassung ist hierin nicht wohl zu finden, da der 
Art. 22 Abs. I lediglich eine allgemeine Regel enthält.
	        
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