112 Gesetz, betresjend die Verfassung des deutschen Neichs. Art. 21 u. 22.
eine größere Anzahl von Wählern, deren Stimmabgabe einen Einfluß auf
das Wahlergebniß hätte äußern können, durch Nakurereigniß verhindert
war, sich an der Wahl zu betheiligen; (Stenogr. Ber. des Reichstags
1871 S. 27 ff.).
4. In Art. 5 des Wahlgesehes ist zwar die Zahl der in jedem
Staate des früheren norddeutschen Bundes zur Zeit zu wählender Abge-
ordneten genau bestimmt, jedoch in Absatz III beigefügt: „Eine Ver-
mehrung der Zahl der Abgeordneten in Folge der steigenden Bevölkerung
wird durch das Gesetz bestimmt."
Art. 21.
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag.
Wenn ein Mitglied des Reichstages ein besoldetes Reichsamt
oder in einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt
oder im Reichs= oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit
welchem ein höherer Nang oder ein höheres Gehalt verbunden
ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem Reichstag und kann
seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wieder erlangen.)
1. Der Ausdruck „Beamte“ muß hier im weitesten Sinne genom-
men werden.
Die Frage, ob Beamte verpflichtet werden können, im Falle ihres
Eintrittes in den Reichstag die Kosten der Stellvertretung in ihrem Amte
zu bezahlen, ist in der Reichsverfassung nicht entschieden und daher nach
dem speciellen Landesrechte zu beurtheilen. In Bayern waren derartige
Anforderungen an Beamte nie üblich. Vergl. hiezu von Rönne deutsches
Verfassungsrecht Abthlg. III, Abschnitt III lit. D Note 2, c (Hirth's
Annalen IV S. 248 u. 249).
2. Der zweite Absatz des Art. 21 verdankt seine Entstehung einem
Beschlusse des constituirenden Reichstags von 1867.
Art. 22.
Die Verhandlungen des Neichstages sind öffentlich.)
Wahrheitsgelreue Berichte über Verhandlungen in den öffent-
lichen Sitzungen des Neichstages bleiben von jeder Verantwort-
lichkeit frei.)
1. a. Die Oeffentlichkeit kann nach § 33 der Geschäftsordnung
des Reichstags pro 1871 unter Umständen ausgeschlossen werden. Eine
Abweichung von der Verfassung ist hierin nicht wohl zu finden, da der
Art. 22 Abs. I lediglich eine allgemeine Regel enthält.