Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Geseh Uber das Paßwesen. 199 
gebiete, zur Rückkehr in dasselbe, sowie zum Aufenthalte und zu 
Reisen innerhalb desselben keines!) Reisepapiers.) 
Doch sollen?) ihnen auf ihren Antrag Pässe oder sonstige 
Reisepapiere“) ertheilt werden, wenn ihrer Befugniß zur Reise 
gesehliche Hindernisse) nicht entgegenstehen. 
1. a. Durch die Vorschrift im ersten Absatze ist der Paß zwang für 
das ganze Bundesgebiet beseitigt und den Einzelstaaten die Möglichkeit 
entzogen, denselben wieder einzuführen. „Es darf (wie die Motive sich 
ausdrücken) die freie Bewegung des unverdächtigen Reisenden nicht durch 
Maßregeln gehemmt und gestört werden, welche keinen anderen Zweck 
haben, als den Verdächtigen auf die Spur zu kommen, deren Anzahl 
gegen die stels wachsende Zahl der Reisenden überhaupt doch immer nur 
verschwindend klein ist.“ 
b. Die Reisefreiheit ist hiemit allen Bundesangehörigen ohne Unter- 
schied des Standes und ohne Rücksicht darauf ob sie in oder außerhalb 
ihres engeren Heimatsstaates reisen, dann ob sie vom Auslande zunächst 
in den letzteren oder in einen anderen Bundesstaat zurückkehren, als ein 
von polizeilicher Willkür unabhängiges Recht gesichert. 
Im Bergleiche mit der oben in den Vorbemerkungen sub Ziff. IIIx# 
erwähnten Paßkonvention belundet das Paßgeseß durch die Vorschrift in 
Art. 1 Abs. I einen doppelten Fortschritt, indem einerseits die Paßfreiheit 
auch auf die arbeitende Klasse, welche nach jener Konvention paßpflichtig 
war, ausgedehnt ist, und die Polizeibehörden andererseils nicht mehr be- 
rechtigt sind, noch von Jemanden eine Legitimation über seine Unterhalts- 
mittel zu verlangen (Sten. Ber. des nordd. Reichstags v. 1867 S. 177). 
2. Die Motive des Gesetzentvurfs (Anlagen zu den Sten. Ber. 
S. 24) bemerken hiezu: 
„Aus dem Zwecke des Gesetzes ergibt sich, daß durch dasselbe die 
in verschiedenen Staaten bestehenden Vorschriften nicht berührt werden, 
welche für gewisse Klassen des Erwerbs den regelmäßigen Besih solcher 
Papiere nothwendig machen, die zwar allerdings auch als Legitimations- 
Dokumente dienen, damit aber einen anderen mit dem Paßwesen 
nicht im Zusammenhange stehenden Zweck verbinden, wie 
namentlich den des Zeugnisses über bisherige Dienstverhältnisse. Hieher 
gehören insbesondere die Dienstbücher oder Dienstkarten, ferner die See- 
fahrtsbücher der Matrosen, die Bücher der Dienstmannschaft auf Fluß- 
schiffen u. s. w., welche zu beseitigen nicht in der Absicht des vorliegenden 
Gesetzes ist.“ 
Aufrecht erhalten bleibt ferner die Verpflichtung zur Führung der 
sowohl in der norddeutschen Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869, als 
in den bezüglichen bayrischen Verordnungen (vergleiche oben die Vor-
	        
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