Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

222 Geseh über die Freizügigleit. 
Auf das Recht der Deutschen, sich im Auslande aufzuhal— 
ten, erstreckt sich das Freizügigkeitsgesetz ebensowenig, als auf das 
Recht der Ausländer in einem deutschen Staate Aufenthalt zu nehmen. 
III. Das Freizügigkeitsgesetz verweist hinsichtlich einiger Punkte, 
insbesondere bezüglich der Ausweisung bestrafter Personen, dann 
bezüglich der Meldevorschriften und des Verfahrens, sowie bezüglich 
der Wirkungen des Aufenthaltes in Ansehung der Gemeindeangehörig- 
keit, des Ortsbürgerrechts und des Armenverbandes auf die Landes- 
gesetze; abgesehen hievon ist die Malerie des Freizügigkeitsrechts der 
Deutschen durch das Reichsgesetz erschöpst; dasselbe tritt, soweit 
die Ausweisung von Deutschen in Frage ist, von Rechts- 
wegen und ohne daß es einer weiteren Dazwischenkunft der 
Landesgesetzgebung bedarf, an die Stelle der correspon- 
direnden Landesgesetze und die Einzelregierungen sind fortan nicht 
mehr befugt, neue, das Aufenthaltsrecht der Angehörigen des eigenen 
oder eines andern deutschen Staates beschränkende Gesetze zu erlassen. 
IV. Vergleicht man hiemit die bayrischen Bestimmungen") 
in Art. 43 bis 52 des Gesebes über Heimat, Verehelichung und Auf- 
enthali vom 16. April 1868, so ergibt sich folgendes: 
A. Die Art. 43 Abs. II, 44—47, dann 49—52 des soeben 
erwähnten Gesetzes kommen auch für die Folge unverändert zur 
Anwendung, wenn es sich um Ausweisung eines Nichtdeutschen hau- 
delt, da das Freizügigkeitsgesetz, wie bereits oben bemerlt, das Aufent- 
haltsrecht der Ausländer völlig unberührt läßt. 
B. Was dagegen das Aufenthaltsrecht der Bayern und übri- 
gen Deutschen betrifft, so ist 
1. der Art. 43 Abs. 1 des bayr. Heimatgesetzes durch § 1 des 
deutschen Freizügigkeitsgesetzes furrogirt; 
2. der Art. 44 des Heimatgesetzes bleibt mit Rücksicht auf § 10 
des Freizügigkeitsgesetzes unverändert; 
3. von dem Art. 45 des bayr. Heimatlgesetzes ist 
*) Ueber den Einfluß des Freizügigkeitsgeselzes auf das Gebiet der bayr. 
Civil- und Strafrechtspflege vergl. Dr. Staudinger, die Einführung norddeutscher 
Gesetze 2c. in Bayern II. Abthlg. S. 9V fl. 
Ueber die Rückwirkungen des Freizügigkeilsgeselzes auf die württem- 
bergischen Bestimmungensiehe die-Kurze Anleitung rc. von Direllor Bitzer“ S. 35 f.
	        
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