Geseh über die Freizügigleit. 81. 225
Keinem Bundesangehörigen darf um des Glaubensbekenninisses-)
willen oder wegen fehlender Landes-) oder Gemeindeangehörig-
keit der Aufenthalt, die Niederlassung, der Gewerbebetrieb oder
der Erwerb von Grundeigenthum verweigert werden.
1. Der Grundsatz voller Aufenthaltsfreiheit ist zwar auch in Ar-
tikel 43 Abs. 1 des bayr. Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Auf-
enthalt vom 16. April 1868 ausgesprochen, für die Folge ist aber gleich-
wohl in den einzelnen Fällen statt des Art. 43 Abs. I lediglich der § 1
des deutschen Freizügigkeitsgesetzes anzuwenden.
2. Das Gesetz bezieht sich uur auf Bundesangehörige, sohin
nach dem Reichsgesetze vom 1. Juni 1870, die Erwerbung und den Ver-
lust der Bundes= und Staatsangehörigkeit betr. nur auf solche Personen,
welche in irgend einem deutschen Staate das Indigenat besitzen. Das
Aufenthaltsrecht der Ausländer, sowie derjenigen Personen, deren
Staatsangehörigkeit nicht ermittelt werden kaun, ist nach den Landes-
gesetzen zu bemessen; was Bayern insbesondere betrifft, so verbleibt es in
diesen Beziehungen bei den Bestimmungen in Art. 13 Abs. II und Ar-
tikel 50 des in Nole 1 erwähnten Gesetzes vom 16. April 1868. —
In beiden Artikeln ist auch den Ausländern ein nicht willkührlich ent-
ziehbares Aufjenthaltsrecht in Bayern eingeräumt; vergl. meinen Kom-
mentar JumB bayr. Heimatgesetze von 1868, Arl. 50 Note 1
Daß Bundesangehörige in keinem Falle wie Auslän-
der behandelt werden dürfen, ergiebt sich sowohl aus Art. 3 der
NReichsversassung, als aus dem in § 1 des Freizügigleitsgesetzes gewähl-
ten Ausdrucke: „jeder Bundesangehörige."“
3. Die im Freizügigkeitsgesetze den Bundesangehörigen eingeräum-
ten Rechte erstrecken sich sohin auf das Gebiet aller Bundesstaaten.
4. Der Gesetzentwurf enthielt lediglich den Ausdruck „sich dauernd
aufzuhalten“; da jedoch Zweifel bestanden, ob hienach auch das Recht
einen vorübergehenden Aufenthalt zu nehmen, gewährleistet sei, so
wurde die nunmehrige Fassung „sich aufzuhalten oder niederzulassen“
gewählt.
5. a. Nach einem in der 3. Auflage des Staatsrechtes für die preu-
siische Monarchie von Dr. v. Rönne I. Bd. 2. Abthlg. S. 52 Note 4 erwähnten
preußischen Ministerialrescripte vom 31. August 1868 ist die Polizeibe-
hörde nicht befugt und verpflichtet, die Art und Weise des Unterkommens
zu prüfen und darüber zu befinden, ob dasselbe ein reelles und für den
Unterhalt des Betreffenden ausreichendes sei; es kommt lediglich darauf
an, ob der Anziehende eine Wohnung oder ein Unterkommen besitzt, und
es ist unter letzterem nicht ein besonders nachzuweisendes reelles Erwerbs-
verhältniß zu verstehen, sondern es hat nur ausgedrückt werden sollen,
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