Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Geset über die Freizllgigleit. 81. 227 
keitsgesetze selbst enthaltenen Bestimmungen in specic der §8 3—5 statt- 
finden dürfen; es lassen sich aber auch, wie bereits oben in der Vorbe- 
merkung erwähnt, andere im Geseßze nicht speziell vorbehaltene Aufent- 
haltsbeschränkungen denken, über deren Fortdauer kaum ein Zweifel be- 
stehen kann, da sie einen ganz anderen Zweck, als die Schmälerung des 
Freizügigleitsrechtes verfolgen und deßhalb auch nicht wohl in den Bereich 
des Freizügigkeitsgesetzes fallen. Hieher gehören alle auf Grund der 
Straf= und Disciplinarstraf-Gesetze verfügten Freiheitsstrafen, ferner die 
Fälle gesetzlicher Inhaftirung, sodann die momentanen Aufenthaltsbeschränk- 
ungen, welche sich aus der Anwendung gesetzlicher Zwangsmittel ergeben, 
z. B. die Fälle der Realcitation, der zwangsweisen Vorführung, Heim- 
lieferung und dergl.; außerdem gehören hieher die aus einem öffentlichen 
Dienstverhältnisse und der Erfüllung der Militärpflicht entspringenden, 
sowie die nach den Civil= und Civilprozeßgesetzen zulässigen Aufenthalts- 
beschränkungen; endlich sind zu erwähnen die im Gesetze über das Paß- 
wesen vom 12. Oktober 1867 ausdrücklich vorbehaltenen Bestimmungen 
über Zwangspässe und Reiseronlen, vergl. hiezu meinen Kommentar zum 
bayr. Heimalgesetze S. 218 und 219. 
8. Durch den Ausdruck „lästige Bedingungen“") sollten vorzugs- 
weise die Aufenthaltsgebühren, sowie die für einzelne Klassen von Perso- 
nen besonders bestehenden, mit der Aufenthalts= und Erwerbsfreiheit nicht 
vereinbarlichen Auflagen und Beschränkungen getroffen werden, z. B. die 
sogenannten Judenschuhgelder, die Recognitionsgebühren für auswärts 
wohnende Gemeindeangehörige, dann die Bestimmungen, wodurch den 
Isracliten der Aufenthalt oder die Niederlassung in gewissen Gemeinden 
verboten war. Alle diese unzeitgemäßen Beschränkungen der persönlichen 
Freiheit, welche übrigens auch in Vayern nicht mehr beslanden, sind durch 
das Freizügigkeitsgeseh beseiligt; dagegen wird die Verbindlichkeit zur 
Entrichtung von Taxen für den Erwerb von Grundstücken, dann von 
Steuern und indirekten Auflagen selbstverständlich durch das Freizügig- 
keitsgesetz nicht berührt. 
Die im letzten Absatze des § 1 enthaltene Vorschrift ist an sich 
nur eine Schlußfolgerung aus dem übrigen Inhalte des Paragraphen; 
sie wurde aber ausdrücklich ausgenommen, um die Gleichberechtigung der 
Koufessionen in allen diesen Beziehungen außer Zweifel zu stellen; vergl. 
hiezu das im IV. Abschnitte dieser Abtheilung enthallene Gesetz über die 
Gleichberechtigung der Konfessionen vom 3. Juli 1869, in specio die 
Vorbemerkung Ziff. I. 
5P) Zu derarligen lästigen Bedingungen wird auch das hie und da be- 
stehende Verbot, Gehalte und Pensionen außerhalb des Heimatstaates zu ver- 
zehren, gerechnet werden müssen; es wird daher, soweit es sich um den Aufenthalt 
in einem anderen deulschen Staate handelt, ceifiren. 
15
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.