230 Geseh über die Freizügigleit. 8 3.
Von einer Seite (Sten. Ber. des nordd. Reichstags von 1869
S. 1332) wurde zwar behauptet, daß man im Jahre 1867 der Mei-
nung gewesen sei, „nur in den Fällen, in welchen der Nichter auf Stel-
lung unter Polizeiaufsicht erkennt, werde es fortan noch gestattet sein, die
Ausweisung anzuordnen“; allein diese Meinung ist offenbar im Gesetze
nicht zum entsprechenden Ausdrucke gelangt, deun dasselbe spricht, ohne
irgend welche Entscheidung zu tressen, nur von bestrasten Personen, und
die Motive lassen unzweifelhaft erkennen, daß man eine so weit gehende
Einschränkung der polizeilichen Befugnisse nicht beabsichtigt hatte.)
Dagegen unterliegt es keinem Zweifel; daß die Behörden nicht mehr
berechtigt sind, bloß mit Rücksicht auf den Leumund oder sonst willkühr-
lich eine Aufenthaltsbeschränkung zu verfügen, sondern, daß Ausweisungen
nur gegen bestrafte Personen und in den durch Landesgeset speciell
bezeichneten Fällen zulässig sind.
Für Bayern ergiebt sich hieraus:
ad a. daß an den Befugnissen der Polizeibehörden gegenüber den
unter Polizeiaufsicht gestellten Personen durch das Freizügigkkeits-
gesetz'') nichts geändert ist,
ad b. daß die Bestimmungen in Art. 45 Ziff. 5 u. 6, dann beie
deren Vollzug Art. 46 u. 47 Abs. 1 des bayr. Heimatsges. v. 16. April 1868
aufrecht bleiben, während die Vorschristen in Art. 45 Ziff. 7 u. 8 ibidem
soweit die Ausweisung von Bun desangehörigen in Frage sleht, nicht mehr
anwendbar sind, da in diesen Stellen die Ausweisung von einer voraus-
gegangenen Bestrafung nicht abhängig gemacht ist.
Ueber die Kontroverse, welche in Preußen bezüglich der ferneren
Anwendbarkeit des preußischen Gesetzes vom 31. Dezember 1842 § 1
Nr. 1 und 2 besteht, siehe das Staatsrecht der preußischen Monarchie
von Nönne III. Aufl. 1870 8 90 Bd. I Abthlg. II S. 58 ff., dann
die Stenogr. Berichte des Reichstags 1869 S. 1332 ff., endlich Dr.
Siaudinger?. c. S. 22 j
.Da das Reichs sgesch. abgesehen von den Fällen des § 3 Ab-
satz I —8— Kompelenzbesimnmungen enthält, so verbleibt es bei den lau-
*) Die bezugliche Stelle der Molive lautet: „Sowohl in Preußen als in
anderen Bundesslaaten bestehen. geselzliche Vestimmungen, wonach den wegen ge-
wisser Verbrechen oder zu gewissen Strafen verurtheilten Personen (insbeson-
dere dann, wenn auf Stellung unter Polizeiaussicht erkannt wird) Aufenthalls-
beschränkungen. durch die Polizei auferlegt werden können. Es versleht sich von
selbst, daß diese Bestimmungen durch das Prinzip der Freizügigleit nicht aufac=
hoben werden sollen, wie sie denn auch gerade in Preußen neben der durch das
Gesetz von -18P12 gewährten Freizügigkeit aufrecht erhalten sind.“
a die Malerie der Polizeinufch. im deutschen Strafkesehbuche neu
geregelt n. # werden sich vom 1. Januar 1872 an in Bayern auch in dieser
Hinsicht einige Aenderungen beusch der Ausweisungsbefugnis ergeben; vergl.
hierüber Dr. Staudinger I. c. 13 ff.