Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Geselz über die Freizügigkeit. § 7. 237 
dadurch in demselben den Unterstützungswohnsitz d. h. den Anspruch auf 
Unterstützung im Verarmungsfalle erwirbt“, und 
b. daß Streitigkeiten über die Armenfürsorgepflicht zwischen Armen- 
verbänden, welche verschiedenen Bundesstaaten angehören, in letzter In- 
stanz durch eine Centralbehörde des Reiches, das Bundesamt für das 
Heimatwesen (§ 42 ff.) zu entscheiden sind. — Der 8 7 des Frei- 
zügigkeitsgesetzes wurde daher durch § 1 des Unterstützungs zwohnsibgesetzes 
ausdrücklich als für jene Slaaten ccht mehr anwendbar erllärt. Für 
Bayern, und so lange das Unterstützungswohnsitzgesetz in Württemberg und 
Baden nicht eingeführt ist, auch für diese Staaten ist, wenn Streitig- 
keiten bezüglich der Uebernahme eines Auszuweisenden entstehen, der Go- 
thaer Vertrag auch fernerhin maaßgebend, und zwar sowohl bei Differenzen 
der süddeutschen Staaten unter sich als mit norddeutschen Staaten; ver- 
gleiche hiezu oben Art. 3 der Reichsverf. Note 9 u. 11 S. 88 u. 89, 
dann Ziff. III des bayrischen Schlußprotokolls, und die Molive zu 8 2 
des Gesetzes vom 22. April 1871, die Einführung norddeutscher Gesetze 
in Bayern betr. 
Der Gothaer Verlrag ist übrigens nicht ganz unverändert geblieben, 
da in § 7 Abs. II des Freizügigkeitsgesetzes bestimmt ist, daß ein An- 
spruch auf Ersatz der Kosten, vorbehaltlich besonderer Verabredungen nur 
insoweit staltfindet, als die Fürsorge für den Auszuweisenden länger als 
drei Monate gedauert hat. 
2. Der Gothaer Vertrag und die hiezu getroffenen späteren Ver- 
abredungen sind näher besprochen und abgedruckt in meinem Kommentare 
zum bayrischen Heimatgesetze vom 16. April 1868 S. 129 ff. und 
288 ff. 
In derselben Weise wie der Gothaer Vertrag wurde auch die so- 
genannte Eisenacher Uebereinkunft vom 11. Juli 1853 wegen der Ver- 
pflegung erkrankter und der Beerdigung verstorbener gegenseitiger Unter- 
thanen aufrecht erhalten; vergl. bin meinen Kommentar zum bahyrischen 
Armengesetze S. 79 ff. und S. 
3. Ueber den Ersatz der von -N- Gemeinden aufgewendeten 
Kosten siehe die Art. 14 und 15 des bayrischen Armengesetzes und die 
zu dem letzteren Artikel ergangene Ministerialenkschließung vom 6. Aug. 
1870, welche S. 270 ff. meines Kommentars zum Armengesetze abge- 
gedruckt ist; in Bezug auf die Kosten für Heimatlose überhaupt siehe die 
Vollzugsinstruktion zum bayrischen Heimatgesetze vom 29. Juni 1868 
Nr. 7745 Ziff. 9, abgedruckt in meinem Kommentar zum Heimatgesetze 
S. 261 ff. 
4. Den einzelnen Staaten bleibt natürlich vorbehalten, den Aus- 
zuweisenden schon vor Ablauf der drei Monate heimzuliefern, wenn die 
Uebernahmepflicht bereits früher festgestellt ist.
	        
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