Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

246 Gesetz, belreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen. 
Beschränkungen in Ansehung der bürgerlichen Rechte oder des Nieder- 
lassungsrechtes, welche sich auf das Glaubensbekenntniß zurückführen 
lassen, schon seit längerer Zeit nicht mehr und auch in Bezug auf die 
Ausübung staatsbürgerlicher Rechte war man bemüht, im Wege der 
Einzelgesetzgebung die vorhandenen Rechtsungleichheiten zu beseitigen.“ 
Daneben blieb aber der in Tit. IV § 9 Abs. III der bayrischen Ver- 
fassungsurkunde enthaltene Grundsatz formell unverändert stehen, wonach 
„die nicht christlichen Glaubens-Genossen zwar vollkommene Gewissens- 
Freiheit haben, an den staatsbürgerlichen Nechten aber nur in 
dem Maaße einen Antheil erhalten, wie ihnen derselbe in den organischen 
Edikten über ihre Aufnahme in die Staats-Gesellschaft zugesichert ist.“ 
Dasselbe ist der Fall mit § 11 der II. Verfassungsbeilage, worin be- 
stimmt ist: „Die Religionsänderung hat keinen Einfluß auf die allge- 
meinen staatsbürgerlichen Rechte, Ehren und Würden, ausgenommen, 
es geschehe der Uebertritt zu einer Religionsparthei, welcher nur eine 
beschränkte Theilnahme an dem Staatsbürgerrechte gestattet ist;“ sodann 
mit § 25 der II. Verfassungsbeilage, welcher sagt, daß die nichtchristlichen 
Religionsgesellschaften „in Beziehung auf Staatsbürgerrecht nach den 
über ihre „bürgerlichen“) Verhältnisse bestehenden besonderen Gesetzen 
und Verordnungen zu behandeln“ seien. 
Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführung, daß diese Be- 
stimmungen mit dem Gesetze vom 3. Juli 1869 unvereinbar sind und 
daher ipse jure außer Wirksamkeit ireten. 
Die in Bayern bestehende — auf keiner direkten Gesetzesbestimmung 
beruhende Praxis, Nichtchristen zu einzelnen Staatsämtern nicht zu 
berufen, wurde in einem seit Einführung des in Rede stehenden Reichs- 
gesetzes vorgekommenen Falle bereils verlassen. 
*) 3. V. war das Recht, in die Gemeindevertretung oder in den Landtag 
gewählt zu werden, unabhängig von einem bestimmten Glaubensbelenntnisie. 
*“) „Bürgerlich“ ist hier offenbar im Gegensatze zu „religiös“ gebraucht.
	        
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