Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

248 Gesetz, betreffend die Gleichberechligung der Konfessionen. 
Grundrechten, welche auf die Verhältnisse der Kirchengesellschaften als 
solcher eine Rückwirkung geäußert hätten, abgelehnt wurden. Abgesehen 
hievon ist zu berücksichtigen, daß die kirchlichen Verhältnisse bis jeht über- 
haupt nicht Gegenstand der Gesetzgebungsbefugniß des Bundes sind und 
daß sich im Gesetze vom 3. Juli 1869 kein Anhaltspunkt findet, welcher 
auf die Absicht einer Verfassungsänderung schließen läßt; eine solche wurde 
vielmehr im Reichstage ausdrücklich negirt. — Hieraus ergibt sich, daß 
weder die besonderen Rechte der einzelnen Kirchengesellschaften, z. B. in 
Bayern der bevorzugte Schuß der anerkannien Religionsgesellschaften sowie 
ihrer Diener und ihres Vermögens, die Vertretung der katholischen und 
protestantischen Kirche in der Kammer der Reichsräthe, die Ansprüche ein- 
zelner Kirchengesellschaften auf Leistungen des Staates u. s. w., noch die 
Rechte des Staates gegenüber einzelnen Religionsgesellschaften in spccic 
die Ueberwachungs= und Bestätigungsrechte, noch die landesgesetzlichen Be- 
stimmungen über die Anerkennung und Eigenschaft bestehender oder nen 
begründeter Religionsgesellschaften, über die Verwaltung des Kirchenver- 
mögens oder einzelner Anstallen, über die Stiflungen, über die religiöse 
Kindererziehung und die Schulverhällnisse 2c. noch endlich die sogenannten 
Amortisationsgesetze durch das Gesetz vom 3. Juli 1869 berührt werden. 
2. Zu den Beschränlungen bürgerlicher Rechte gehören außer 
den bereits oben in der Vorbemerkung Ziff. I erwähnten, noch z. B. die 
früheren Bestimmungen, wodurch den Angehörigen einer gewissen Religions- 
gesellschaft, abweichend von der allgemeinen Rechtsregel, der Erwerb von 
Forderungen im Wege der Cession verboten oder erschwert, die Eingehung 
bestimmter privatrechtlicher Verträge überhaupt nicht oder nur unter Be- 
schränkungen und Sicherheitsmaßregeln gestattet, oder ein Theil der in der 
väterlichen Gewalt begriffenen Rechte entzogen war. 
3. Der letzte Satz des Artikels enthält nur eine Exemplifikation, 
keineswegs aber eine erschöpfende Aufzählung der staatsbürgerlichen Rechte. 
Für Bayern kommen hier insbesondere noch in Betracht die Fähigkeit, 
die erbliche Reichsrathswürde zu erlangen (Tit. VI § 3 der bayr. Ver- 
fassungsurkunde), die Fähigkeit bei der Wahl der Vertreter des größeren 
Grundbesitzes im Distriktsrathe mitzuwählen und gewählt zu werden, sowie 
überhaupt Mitglied des Distriktsraths zu sein, die Fähigkeit in den Land- 
rath gewählt zu werden, die Wählbarkeit zum Wahlmanne bei der Wahl 
der Landtagsabgeordneten, die Wählbarkeit zum Mitgliede des Ausschusses für 
die Prüfung der Gewerbesteuer-Fassionen und die Fähigkeit zum Geschwornen. 
4. Selbstverständlich erwächst dadurch für den Einzelnen kein Recht 
auf Anstellung in einem concreten Falle, sondern die Regierungen sind nur 
verpflichtet, Niemanden bloß deßhalb, weil er einer bestimmten Religions- 
gesellschaft angehört oder nicht angehört, von einem öffentlichen Amte, 
welches mit der Religionsübung nichts zu thun hat, auszuschließen. 
 
	        
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