22 Grundzüge des Verfassungsrechts des deutschen Reichs.
Staaten auf einen ständigen Sitz in einzelnen Bundesrathsausschüssen,
stehen sich die Einzelstaaten im Bundesrathe völlig gleich und kein
Verkreter irgend eines Staates hat ein Vorrecht vor den anderen.
Insbesondere ist jedes Bundesglied berechtigt, Vorschläge zu machen und
in Vortrag zu bringen und seine Anschaunngen durch einen Bevoll-
mächtigten im Reichstage vertreten zu lassen (Art. 7 u. 9 der Verf.).
Die Mitglieder des Bundesraths genießen den üblichen diplomatischen
Schutz. Die Namen derselben werden im Reichsgesetzblatte veröffent-
licht. Angrisse auf die Integrität des Bundesraths sind im deutschen
Strafgesetzbuche mit besonderen Strafen bedroht.
II. Der Bundesrath wird durch den Kaiser berufen, eröffnet,
bertagt und geschlossen. Die Berufung muß alljährlich mindestens ein-
mal und jedenfalls, wenn der NReichstag zusammentritt, erfolgen.
Außerdem ist der Bundesrath zu berufen, sobald ein Dritttheil der
Stimmen es verlangt (Art. 12—14 der Verf.).
III. 1) Der Bundesrath übt in Gemeinschaft mit dem Reichslage
die Reichsgesehgebung aus, und zwar gewöhnlich in der Art, daß
die Gesetzentwürfe zuerst im Bundesrathe festgestellt, alsdann im Namen
des Kaisers an den Reichstag gebracht und hierauf nach erfolgter Zu-
stimmung des letzteren von dem Bundesrathe sanktionirt und von dem
Kaiser verkündigt werden (Art. 5, 7, 16 u. 17 der Verf.). Bringt
der Reichstag Gesetze in Vorschlag, so hat der Bundesrath über deren
Annahme oder Ablehnung zu beschließen (Art. 23 der Verf.). Der
Bundesrath beschließt ferner über alle sonstigen dem Reichstage zu
machenden Vorlagen und die von demselben gefaßten Beschlüsse, z. B.
über Verträge, welche Gesetzgebungsmaterien betreffen, über den Reichs-
haushalt und über Petitionen, welche vom Reichstage dem Bundes-
rathe überwiesen werden (Art. 7, 11, 23 u. 71 der Verf.). Er er-
neunt die Kommissarien, welche die Vorlagen im Reichstage zu ver-
treten haben.
2) Dem Bundesrathe steht ferner das Verordnungsrecht
zu, insoferne zur Ausführung von Neichsgesetzen allgemeine Verwallungs-
vorschriften oder sonstige Einrichtungen erforderlich sind, und das Recht,
derartige Vorschriften oder Einrichtungen zu treffen, nicht durch Gesetz
einem anderen Organe, in specic dem Kaiser oder Reichskanzler zu-
gewiesen ist (Art. 7 der Verf.).