Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

274 Anhang zum V. Abschnitte. 
5. a. Ausländern d. h. Nichlbundesangehörigen steht ein Recht, die Na- 
turalisation zu verlangen, nicht zu; dieselbe kann daher auch verweigert werden, 
wenn die in § 8 Abs. I Ziff. 1—4 des Gesetzes aufgestellten Vorbedingungen er- 
füllt sind. 
Demgemäß wird mil Rücksicht auf die bayr. Heimaigesetzgebung bis auf 
Weileres verfügt, daß Ausländern die Naturalisation in der Regel nur dann zu 
ertheilen sei, wenn sie nachweisen, daß sie für den Fall der Naluralisation sofort 
die Heimat in einer bayerischen Gemeinde erhalten. Eine Ausnahme von dieser 
Negel ist nur mit Genehmigung des unterzeichneten Staatsministeriums zulässig. 
b. In Ansehung der reichsgesetzlichen Vorbedingungen, ohne deren Erfüll- 
ung überhaupl eine Naturalisation nicht statlfinden darf, isl Folgendes zu beachlen: 
Sind der instruirenden Behörde die Verhällnisse des Gesuchslellers hinsicht- 
lich der in § 8 Abs. 1 Ziff. 1 u. 2 erwähnten Vorbedingungen als unbedenklich 
bekannt, so genügt eine einfache Constatirung, daß in diesen beiden Beziehungen 
kein Hinderniß obwalle, außerdem ist der Sachverhalt durch enksprechende Ermitt- 
lungen llar zu stellen. 
Zum Nachweise der in § 8 Abs. I1 Ziff. 3 erwähnten Vorbedingung dient 
ein Zeugniß der Orlsbehörde der Niederlassungsgemeinde, welches mit der von 
derselben gemäß § 8 Abs. II ohnchin abzugebenden Erklärung verbunden wer- 
den kann. 
Die in § 8 Abs. 1 Ziff. 4 angeführte Vorbedingung endlich macht es 
nothwendig, daß die Erwerbs= und Vermögensverhällnisse des Gesuchstellers glaub- 
haft dargethan werden, in welcher Hinsicht Ubrigens dem Zeugnisse der Nieder- 
lassungsgemeinde in der Regel volles Gewicht beizumessen ist. 
Die in 8 8 Abs. II vorgeschriebene Erklärung der betreffenden Gemeinde 
ist stels zu den Aklen zu bringen. 
Für die weilere Sachinstruktion sind die oben sub Ziff. 4 lit. b u. c ge- 
troffenen Anordnungen maßgebend. 
. Die Kreisregierungen haben bei der Bescheidung der Naturalisations- 
gesuche, unbeschadel einer gewissenhaflen Prllfung der Sachlage, von dem Grund- 
satze auszugehen, daß eine unmotivirte Erschwerung der Naturalisation weder im 
Geiste der Gesehzgebung liegt, noch sonst geboten erscheint. 
Ein Nachweis, daß der Gesuchsteller aus seinem bisherigen Unterthanen- 
verbande entlassen worden sei, ist nicht erforderlich. 
In Fällen, in denen ausnahmsweise von der Erwerbung der Heimat Um- 
gang zu nehmen ist, werden die Kreisregierungen an das unterzeichnete Staats- 
Ministerium Bericht erstatten. 
d. Die Verhandlungen über die Ertheilung der Naturalisation, sowie die 
Naturalisationsurkunde unterliegen der Tax= und Stempelpflicht. 
6. Unter dem Ausdrucke „Central= oder höhere Verwaltungsbehörde“ in 
§ 9 des Gesetzes sind lediglich die Kreisregierungen und die denselben coordinirten 
oder übergeordneten Stellen zu verstlehen.
	        
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