Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

36 Grundzüge des Verfassungsrechts des deutschen Reichs. 
der Reichsfinanzverwaltung zu prüfen und ungerechtfertigte 
Rechnungsposten zu beanstanden. 
5. Zur Aufnahme eines Reichsanlehens sowie zur Ueber- 
nahme einer Garantie zu Lasten des Reichs ist die Zustimmung des 
Reichstags erforderlich (Art. 73 der Verf.). Er nimmt an der Con- 
trole des Reichsschuldenwesens theil, und ordnet deßhalb drei Mitglieder 
zur Bundes-Schuldenkommission ab, welche mit absoluter Stimmen- 
mehrheit auf drei Jahre gewählt werden (Ges. v. 19. Juni 1868 § 4). 
6. Der Reichstag ist endlich durch seine Stellung als Vertreter 
des deutschen Volls und im Hinblick auf Art. 17 und 23 der Ver- 
fassung die Interessen des Reichs und die Rechte der einzelnen Reichs- 
angehörigen im Wege der eigenen Initiative zu wahren 
berufen und deßhalb berechtigt 
a. innerhalb der Kompelenz des Reiches Gesetze vorzu- 
schlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundes- 
rathe resp. Reichskanzler zu überweisen, 
b. wegen etwaiger Verletzungen der Verfassung oder der Reichs- 
interessen die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers in Anspruch 
zu nehmen, und 
. zur Geltendmachung dieser Befugnisse Interpellationen 
zu stellen, 
d. seine Anschauungen im Wege von Adressen, Anträgen und 
dergl. dem Bundespräsidium zur Kenntniß zu bringen. 
Die Frage, wie die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers praktisch 
zu realisiren sei, ist in der Verfassung nicht gelöst; auch steht dem 
Reichstage kein direktes Mitwirkungsrecht bei Kriegserklärungen und 
Friedensschlüssen") zu. 
Nachdem derselbe jedoch das Recht der Genehmigung der Reichs- 
Ausgaben und Einnahmen, sowie der Reichsanlehen hat, so ist ihm ein 
entscheidender Einfluß in allen diesen Beziehungen verfassungsmäßig gesichert. 
VI. Die Verhandlungen des Reichstags werden veröffentlicht 
a. durch die gedruckten stenographischen Berichte über die 
einzelnen Sitzungen, 
b. durch die denselben beigefügten sogen. Anlagen zu den 
") Betreffen die Friedensschlüsse zugleich Gesetzgebungsmaterien, so ist zur 
Ordnung der letzteren die Mitwirkung des Reichskags erforderlich.
	        
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