40 Grundzüge des Verfassungsrechts des deutschen Reichs.
bereits oben sub III bemerkt, soweit sie nicht eine durch Reichsgesetz
erschöpfend geregelte Materie betreffen oder sonst mit reichsgesetz-
lichen Bestimmungen formell oder materiell in Widerspruch stehen, auf-
recht. Deßgleichen kann die Landesgesetzgebung auf diesen Gebieten
auch ferner thätig sein, sie darf aber nichls einem Reichsgesetze for-
mell oder materiell Zuwiderlaufendes verfügen.
VI. Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre,
dem Kaiser zustehende Verkündigung, wolche vermittelst des Reichsge-
setzblattes geschieht. Sie treten, wenn nicht im Gesetze selbst ein an-
derer Anfangstermin bestimmt ist, mit dem vierzehnten Tage nach
dem Ablaufe desjenigen Tages in Wirksamkeit, an welchem das be-
treffende Stück des Reichsgesetzblattes in Verlin ausgegeben worden ist
(Art. 2 der Verf.). Der Tag der Ausgabe ist daher auf den Reichs-
gesetzblättern vorgemerkt.
Mit dem Tage der Wirlsamkeit eines Reichsgesetzes verlieren alle
entgegenstehenden Landesgesetze, ohne daß es einer weiteren Deklaration
von Seite der Landesgesetzgebungsfaktoren bedürfle, ihre Gellung und
zwar auch dann, wenn ihr materieller Inhalt mit dem neuen Neichs-
gesetze übereinstimmt, da durch dasselbe auch in formeller Hinsicht
völlige Rechtsgleichheit geschaffen wird.)
Gleichgiltig ist ferner, ob das aufzuhebende Landesgesetz ein so-
genanntes Verfassungsgesetz oder ein einfaches ist, denn mit der
Abtretung des Gesetzgebungsrechtes in Bezug auf eine durch die Landes-
verfassung besonders geschützte Materie an die Reichsgesetzgebung, haben
die Einzelstaaten auch auf die Beachtung jener schützenden Formen
verzichtet.
88.
Gesehzesvollug; Verordnungsrecht; Verantwortlichkeit der
Landesministerien.
I. Die Reichsgesetze werden entweder von den der Reichsgewalt
unmittelbar untergebenen Organen oder von den Behörden der Einzel-
*) Wiewohl also z. B. in Bayern die Errichlung von Spielbanken längst
verboten ist, so kann für die Folge bei einer deßfalls auftauchenden Frage immer
nur das mit der seitherigen bayrischen Gesetzgebung materiell gleiche Reichsgesetz
vom 1. Juli 1868 in Anwendung kommen.