Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

40 Grundzüge des Verfassungsrechts des deutschen Reichs. 
bereits oben sub III bemerkt, soweit sie nicht eine durch Reichsgesetz 
erschöpfend geregelte Materie betreffen oder sonst mit reichsgesetz- 
lichen Bestimmungen formell oder materiell in Widerspruch stehen, auf- 
recht. Deßgleichen kann die Landesgesetzgebung auf diesen Gebieten 
auch ferner thätig sein, sie darf aber nichls einem Reichsgesetze for- 
mell oder materiell Zuwiderlaufendes verfügen. 
VI. Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre, 
dem Kaiser zustehende Verkündigung, wolche vermittelst des Reichsge- 
setzblattes geschieht. Sie treten, wenn nicht im Gesetze selbst ein an- 
derer Anfangstermin bestimmt ist, mit dem vierzehnten Tage nach 
dem Ablaufe desjenigen Tages in Wirksamkeit, an welchem das be- 
treffende Stück des Reichsgesetzblattes in Verlin ausgegeben worden ist 
(Art. 2 der Verf.). Der Tag der Ausgabe ist daher auf den Reichs- 
gesetzblättern vorgemerkt. 
Mit dem Tage der Wirlsamkeit eines Reichsgesetzes verlieren alle 
entgegenstehenden Landesgesetze, ohne daß es einer weiteren Deklaration 
von Seite der Landesgesetzgebungsfaktoren bedürfle, ihre Gellung und 
zwar auch dann, wenn ihr materieller Inhalt mit dem neuen Neichs- 
gesetze übereinstimmt, da durch dasselbe auch in formeller Hinsicht 
völlige Rechtsgleichheit geschaffen wird.) 
Gleichgiltig ist ferner, ob das aufzuhebende Landesgesetz ein so- 
genanntes Verfassungsgesetz oder ein einfaches ist, denn mit der 
Abtretung des Gesetzgebungsrechtes in Bezug auf eine durch die Landes- 
verfassung besonders geschützte Materie an die Reichsgesetzgebung, haben 
die Einzelstaaten auch auf die Beachtung jener schützenden Formen 
verzichtet. 
88. 
Gesehzesvollug; Verordnungsrecht; Verantwortlichkeit der 
Landesministerien. 
I. Die Reichsgesetze werden entweder von den der Reichsgewalt 
unmittelbar untergebenen Organen oder von den Behörden der Einzel- 
*) Wiewohl also z. B. in Bayern die Errichlung von Spielbanken längst 
verboten ist, so kann für die Folge bei einer deßfalls auftauchenden Frage immer 
nur das mit der seitherigen bayrischen Gesetzgebung materiell gleiche Reichsgesetz 
vom 1. Juli 1868 in Anwendung kommen.
	        
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