50 Grundzüge des Versassungsrechts des deutschen Reichs.
insbesondere, wie bereits oben bemerkt, alle aus dem Glaubensbekennt-
nisse abgeleiteten Nachtheile in Bezug auf die Ausübung bürgerlicher
und staatsbürgerlicher Rechte beseitigt werden.
8) Das Gemeindewesens) der Einzelstaaten wird dadurch be-
rührt, daß dem Reiche nach Art. 4 Ziff. 1 die Gesetzgebung über Frei-
zügigkeit, sowie über die Heimats= und Niederlassungsverhältnisse zu-
kommt. Demzufolge wurde zunächst durch Art. 3 der Verfassung und
durch das Freizügigkeitsgesetz den Gemeinden die Befugniß entzogen,
Bundesangehörigen den Aufenthalt, die Niederlassung, die Erwerbung
von Grundeigenthum oder den Gewerbebetrieb durch lästige Bedingungen
zu erschweren.
Sodann wurden, wie bereits oben sub Ziff. 3 erwähnt, die
polizeilichen, insbesondere aus dem Gemeindeverbande fließenden Ehe-
hindernisse aufgehoben,“) und endlich wurde das Heimatwesen in
ganz Deutschland mit Ausnahme Bayerns, durch ein gemeinsames Gesetz
vom 6. Juni 1870, den Unterstützungswohnsitz betreffend, geregelt. In
dem letzteren Gesetze (5 1 u. 10) ist der Grundsatz aufgestellt, daß
jeder Deutsche in jedem Bundesstaate in Bezug auf das Maß und die
Art der im Falle der Hilfsbedürftigkeit zu gewährenden öffentlichen
Unterstützung*““), sowie in Bezug auf den Erwerb und Verlust des
Unterstützungswohnsitzes als Inländer zu behandeln ist, und daß ein
Deutscher, welcher innerhalb eines Ortsarmenverbandes nach zurück-
gelegtem 24. Lebensjahre zwei Jahre lang ununterbrochen seinen ge-
wöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, dadurch von Rechtswegen den
über den Adel, der Familienfideikommisse, die Siegelmäßigkeit, die Rechtsverhält-
nisse der guts= und standesherrlichen Familien, sowie der Familienglieder des
königl. Hauses, dann über die rechtliche Stellung der Juden näher entwickelt sind;
über die deßfallsigen preußischen Verhällnisse s. Rönne I. c. § 106—108.
*) Hinsichtlich der Verhältnisse der bayrischen Orts-, Distrikts= und Kreis-
gemeinden, dann des bayrischen Heimatwesens vergleiche Pözl I. c. § 97—145,
dann meine Kommentare zu den bayrischen Geseyen über Heimat, Verehelichung
und Aufenthalt, und über die öffentliche Armenpflege. Ueber die Provincial=
Stände, die Kommunallandstände und die Kreisstände in Preußen s. Rönne I. c.
5 142—183.
»*) Das Gesetz lber die Aufhebung der polizeilichen Beschränlungen der
Eheschließung vom 4. Mai 1868 gilt in Bayern nicht.
*“) Vergl. über die Verhällnisse in Bayern oben den 8 3 Ziff. VII Nr. 1.