Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

56 Grundzüge des Verfassungsrechts des deuischen Reichs. 
diesen Beziehungen den Einzelstaaten noch umfassende Rechte. So er- 
streckt sich z. B. die gesetzgebende Gewalt der Einzelstaaten auf alle die 
vorstehend sub Ziff. 1—4 erwähnten Materien, deßgleichen auf das 
Personen-, Sachen= und Erbrecht, dann auf das spezielle Landesstaats- 
recht, das Kultus= und Unlerrichtswesen, und eine Reihe von Gegen- 
ständen der Polizei und öffentlichen Wohlfahrtspflege namentlich auf 
die Landeskultur 2c. — Sodamn bleiben die staatsrechtlichen Normen, 
an welche das Staatsoberhaupt bei Ausübung des Gesetzgebungs= und 
Verordnungsrechtes gebunden ist, aufrecht. Fortbestehend ist ferner das 
Begnadigungsrecht; deßgleichen das Recht, die Verwallungsbehörden zu 
organisiren und die Kirchenhoheit. Die Landesregierungen genießen auch 
fortan das Recht, die für die Verwirklichung des Staatszwecks erfor- 
derlichen Mittel beizuschaffen und zu verwenden; auf die Benützung 
und Verwaltung des Staatsgutes, dann auf das Budgetrecht und das 
Bestenerungsrecht der Einzelstaaten hat die Reichsgesetzgebung, soweit es 
sich nicht um Gegenstände des Reichsbudgets z. B. die Militärverwal- 
tung oder Reichsstenern handell, keinen Einfluß. — Auch ist den Ein- 
zelstanten unbenommen, Münzen zu schlagen und Staatsanleihen zu 
contrahiren, und sind dieselben in dieser Hinsicht nur durch die Reichs- 
gesetzgebung über das Münzwesen, die Emission von Papiergeld und 
die Prämienanleihen beschränkt. (Ges. über die Ausgabe von Papier- 
geld vom 16. Juni 1870; dann Gesetz, betreffend die Inhaberpapiere 
mit Prämien vom 8. Inni 1871). 
7) Die Einzelstaaten sind ferner befugt, Gesandtschaften zu 
halten und mit auswärtigen Mächten Verklräge zu schließen, das letz- 
tere jedoch nur insoferne als das Vertragsobjekt nicht ausschließend in 
die Zuständigkeit des Reiches fällt, wie z. B. die Friedensschlüsse oder 
Zollverträge, oder nicht bereits durch einen vom Reiche abgeschlossenen 
Vertrag erschöpfend behandelt ist. 
8) Die Verhältnisse der Staatsdiener zu den Landesregier- 
ungen fallen auch fernerhin in den Bereich des Landesrechts.“) 
9) Die Landesgesetze über die Volksvertretung,) in specie 
*) Vergl. Pözl I. c. § 197—205. 
*#“) Vergl. Pözl I. c. 8 206—235.
	        
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