Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

64 Promulgationsgesetz, Neichsverfassung und Anhang. 
nehmen und Se. Majestät der König von Preußen die Präsidialrechte 
unter dem Namen des deutschen Kaisers ausüben möge. Diese Lage 
gestattete es nicht, die einzelnen Bestimmungen der Verfassung eni- 
sprechend zu ändern; man mußte sich begnügen, die Namen: Keiser 
und Reich an den beiden prägnanten Stellen der Verfassung — im 
Artikel 11 und im Eingange — einzuführen. Dem Text der Ver- 
fassung fehlte daher die Konsequenz der Terminologie und die Kon- 
gruenz mit der seit ihrer Unterzeichnung eingetretenen Entwickelung."“ 
Von diesen Erwägungen geleitet, hat der Bundesrath eine neue 
Redaktion der Reichsverfassung beschlossen, deren Entwurfs) am 27. März 
1871 im Reichstage einer Vorberathung unterstellt, und sodann in den 
Neichstagssitzungen vom I., 3., 4. und 14. April 1871 in zweiter 
und dritter Lesung angenommen wurde (Stenogr. Ber. des R.N. 1871 
S. 21 u. 22, 94 ff. u. 221 ff.). 
II. Der Entwurf enthielt nur eine einzige, in die nunmehrige 
Verfassung übergegangene, materielle Aenderung des damals geltenden 
Versassungsrechts, nemlich die Bestimmung in Art. 8 der Verfassung, 
nach welcher der Ausschuß des Bundesraths für auswärtige Angelegen- 
heiten außer den Bevollmächtigten von Bayern, Sachsen und Würt- 
temberg aus zwei vom Bundesrathe alljährlich zu wählenden Bevoll- 
mächtigten anderer Staaten bestehen soll. — Außerdem hatte der Ent- 
wurf lediglich den Zweck, den oben bemerkten formellen Mißständen 
durch Zusammenfassung der in den verschiedenen Verträgen zerstreuten 
Verfassungsbestimmungen und durch geeignete Einschaltung der Worte 
„Kaiser“ und „Reich“ abzuhelfen. 
Mit Recht äußerte daher der Abgeordnete Lasker unter Zu- 
stimmung des Hauses und des Fürsten von Bismarck in der Situng 
vom 1. April 1871 (Stenogr. Ber. S. 95): „Ich muß für 
mich die Erklärung abgeben, welche vermuthlich auf vielen Seiten 
des Hauses getheilt wird, daß es unsere Absicht nicht ist, gegen- 
wärtig mit etwas Anderem uns zu beschäftigen, als was strikte Re- 
daktion der Verfassung ist, und daß wir am Eingange dieser Berathung 
Alle voraussetzen, daß durch diese Redaktion in keinem Theile das bereits 
*) Abgedruckt in den Anlagen zu den stenogr. Berichten des Reichstags 
von 1871 S. 1 f.
	        
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