78 Gesetz, betreffend die Verfassung des deutschen Reichs.
der rechtlichen Stellung des deutschen Neiches zu den noch ungelösten Ver-
pflichtungen des norddeulschen Bundes eine entgegengesetzte Auffassung auch
vollkommen zu vertheidigen möglich war;“ (stenogr. Ber. des Reichstags
1871 S. 770.) Ein ähnliches Verfahren wird wohl in Ermangelung
eines Schiedsgerichtes bei künftigen Fällen zu beobachten sein.
Was die Gesetze des norddeutschen Bundes betrifft, so besteht
darüber kein Zweifel, daß dieselben erst dann ihre Wirksamkeit für das
ganze Neich resp. für die neubeigetretenen Bundesslaalen erlangen, wenn
sie durch die Grundverträge oder durch späteres Gesetz zu Reichsgesetzen
erklärt werden; auch wurde, abgesehen von dem Gesetze über die Aufhe=
bung der Elbzölle, bei Aufstellung des Haushaltsetats von dem Grund-
satze ausgegangen, daß die Kosten des Vollzugs einzelner Gesetze von den
Bundesstaaten nur dann und insoweit mitzutragen seien, als sie im Ge-
biete der letzteren zur Einführung gelangen. Die von dem norddeut-
schen Bunde mit anderen als den süddeutschen Staaten geschlossenen
Verträge werden, um für das Reich Verbindlichkeit zu erlangen,
gleichfalls einer formellen Erneuerung bedürfen. — Anlangend endlich
die Rechtsverbindlichkeit der im norddeutschen Bunde ergangenen Ver-
ordnungen, sowie der Uebergang der Institutionen desselben auf
das deutsche Reich, so bemerkte der Präsident des Bundeskanzleramtes in
der Reichstagssitzung vom 7. Dec. 1870 (stenogr. Ber. S. 131): „Was
die erste Frage anbelangt, ob nämlich mit der Einführung der hier auf-
gezählien Gesetze ohne Weiteres auch die vom Bundesrath in Ausführung
dieser Gesetze erlassenen allgemeinen Instruktionen und Verordnungen un-
verändert einmpführen seien, so ist dieselbe ganz allgemein nicht zu beant-
worten. In Beziehung auf eine Anzahl dieser allgemeinen Verfügungen
ist ihre Bejahung für mich außer Zweifel. Indessen ohne Weiteres und
ohne eine nochmalige Berathung werden nicht alle diese Verordnungen
ausgeführt werden können.“ — „Was die zweite Frage anlangt, so nehme
ich keinen Anstand, sie dahin zu bejahen, daß die im Nordbunde in
Ausführung der Bundesverfassung bestehenden Institutionen auf den
neuen Bund übergehen. Ob es noch eines formellen Aktes bedürfen wird zur
Konstatirung dessen, das im Angenblicke zu beantworten, bin ich außer
Stande. Es kann sein, daß es für das Angemessenste gehallen wird,
in dem neuen Bundesgesetzblatt, welches wir bekommen werden, darüber
elwas zu sagen."“
3) Vergleiche hiezu oben die erste Ablheilung § 2 Ziff. II Seite 5.
Fürst von Bismarck bemerkte gelegentlich der Vorlage des norddeutschen
Verfassungsentwurfs an die Bevollmächtigten der verbündeten Regierungen
am 15. Dezember 1867: „Der frühere deutsche Bund erfüllte in
zwei Richtungen die Zwecke nicht, für welche er geschlossen war; er ge-
währte seinen Mitgliedern die versprochene Sicherheit nicht und er befreite
die Entwickelung der nationalen Wohlfahrt des deutschen Volkes nicht von