Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Gesetz, belreffend die Verfassung des deutschen Reichs. Art. 2. 83 
fernere Geltung Bedenken erregen, revidiren und in entsprechende Har- 
monie mit der Reichsgesetzgebung bringen. 
b. Eine weitere Wirkung der obigen Regel besteht darin, daß über 
eine durch Reichsgesetz bereits erschöpfend geregelte Materie neuere Landes- 
gesetze nicht erlassen werden können; siehe oben S. 37 ff. 
. Die beiden sub a und b erwähnten Wirkungen kreten nur ein, 
wenn das Reich von seiner Gesehgebungsbefugniß im einzelnen Falle 
wirklich Gebrauch gemacht hat, wie in der oben S. 37 ff. angeführten 
Ziff. VI des bayrischen Schlußprotokolls ausdrücklich constatirt wurde. 
d. Eine spezielle Anwendung hat die in Rede stehende Regel im 
Einführungsgeseße zum deutschen Strafgese bbuche vom 31. Mai 1870 
gefunden. Hiernach sind nicht bloß die im Strafgesehbuche behandelten 
Materien der Landesgesetzgebung entzogen, sondern es ist auch die Höhe 
und Art der Strafen, welche von der Landesgesetzgebung in Bezug auf 
die ihrer Zuständigkeit verbleibenden Materien in Zukunft angedroht wer- 
den können, genau firirt. Unter „Materie“ im Sinne dieses Einführ- 
ungsgesetzes wird eine Gruppe strafbarer Handlungen zu verstehen sein, 
welche in subjektiver und objeltiver Hinsicht gleichgearlet sind und deßhalb 
nicht wohl einzeln, sondern nur im Zusammenhange behandelt werden 
können, so daß die durch das Strafgeseßbuch erfolgte Regelung als eine 
in positiver und negativer Nichtung erschöpfende betrachtet werden muß. 
— Diese Voraussetzung krifft nicht zu, bezüglich der im 29. Abschnitte 
behandelten Polizeiübertretungen. Hier hat der Gesetzgeber, wie auch aus 
dem Anhange I zu den Motiven (Stenogr. Ber. Dro 1870 Bd. III 
S. 86 ff.) hervorgeht, offenbar nur einzelne strafbare Thatbestände an- 
einandergereiht, und nicht etwa die mit einer solchen Handlung im Zu- 
sammenhange stehende Materie erschöpfen wollen. 
e. Die Prüfung der Frage, ob ein Landesgesetz durch die Reichs- 
gesetzgebung ganz oder theilweise aufgehoben sei, ist in Ermanglung einer 
speciellen reichs= oder landesgesehzlichen Bestimmung oder einer sonstigen 
verbindlichen Erklärung der hiezu berufenen Organe dem Richter resp. 
Vollzugsbeamten anheimgestellt. 
7. Der Tag der Ausgabe des Reichsgeseßblattes ist auf jeder 
Nummer desselben bemerkt. Die auf Grund des Reichsgesetzes vom 22. 
April 1871 (ck. Beilage zum bayrischen Gesetzblatte pro 18'/ S. 2) 
in Bayern eingeführten Gesetze, bei welchen kein bestimmter Kalendertag 
als Einführungstermin angegeben ist, sind z. B. am 13. Mai 1871 in 
Bayern in Wirksamkeit getreten, da das betreffende Reichsgesetzblatt am 
29. April 1871 in Verlin ausgegeben worden ist. Nach § 24 des 
Gesetzes, betreffend die Organisation der Bundesconsulate 2c. vom 8. 
November 1867 erlangen neue Reichsgesetze in den Konsular-Jurisdiktions= 
bezirken nach Ablauf von 6 Monaten von dem Tage an gerechnet, an 
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