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schrieb Westenrieder aus Gastein seine Briefe,
ohne zu ahnen, daß die Tage der bayerischen
Herrschaft über das schöne Tal gezählt seien.
Nicht altbayerische, sondern fränkische, pfälzische
und schwäbische Territorien dienten zur Vergröße—
rung und Abrundung des Königreichs. Von
diesen hatten die Pfälzer zwar seit dem Beginn
des 13. Jahrhunderts dieselbe Dynastie, aber bis
1777 eine von den Bayern sehr disparate Ent-
wickelung gehabt, ja nicht selten waren sich die
Vettern feindlich gegenübergestanden. Auch die
Reichsstädte Augsburg und Nürnberg und die
hohenzollerischen Fürstentümer in Franken hatten
in dem bayerischen Herzogtume meistens keinen
befreundeten Nachbarn erblickt. Der heidnische
Bogenschütze, den Holbein d. ä. auf seinem Mar-
tyrium des hl. Sebastian in die bayerischen Farben
gekleidet hat, ist sinnbildlich für die überwiegende
Stimmung, die in den Reichsstädten früher gegen
Bayern herrschte. Daß man dort der Vereinigung
mit Bayern, das überdies bis vor kurzem als
Hort der finstersten Rückständigkeit galt, entgegen-
jubeln und die vorgeschriebene weiß-blaue Kokarde
mit Begeisterung tragen würde, war nicht zu
erwarten. Aber es waren keine üblen Zeichen