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fungsurtheil ausgesprochen. Die Einschränkungen, welchen die
erste Kammer die Selbstständigkeit der Kirche unterworfen hat,
sind daher bis jetzt lediglich ihr Werk, die Regierung mißbilligt
sie. Die Zusätze, welche Art. 11 erhalten, können nur erfreuen,
sie schließen einerseits atheistische Religionsgesellschaften von der
Duldung aus, andererseits ist in ihnen den religiös= bürgerlichen
Einrichtungen im Staate die christliche Grundlage gewährleistet.
Die neue Fassung des Art. 15, welche die Einmischung des Staa-
tes in die Besetzung kirchlicher Aemter wieder in einer Reihe von
Fällen vorbehält, verdient strenge Rüge, denn sie hebt das Prin-
zip, welches durch diesen Artikel festgestellt werden sollte, theil-
weise wieder auf: wir hoffen, daß die zweite Kammer die alte
Fassung wiederherstellen wird. Aber selbst im ungünstigen Fall
wird die Lage der Kirche doch auch in dieser Beziehung noch
freier sein als in allen anderen Deutschen Staaten, Oesterreich
nicht ausgenommen, wo man keines der Rechte aufgeben will,
welche bisher eine Einwirkung auf die Besetzung kirchlicher Stel-
len gestatteten. Der Artikel 16 ist in der alten Fassung, welche
auch die des § 149 der Frankfurter Verfassung ist, beibehalten
worden; die Oesterreichischen Grundrechte haben jede Bestimmung
über die Civilehe vermieden und also auch die große, ja unleid-
liche Beschränkung der kirchlichen Freiheit, melche in dem Verbote
liegt, die kirchliche Eheschließung vor der bürgerlichen vorzunehmen.
Wir können dies nur als einen Vorzug des Oesterreichischen Ge-
setzes ansehen. Die Verhandlungen über die Unterrichtsfrage
sind in diesem Augenblicke uns noch nicht vollständig bebannt,
indeß giebt die Aufnahme eines Theiles des vortrefflichen Brüg-
gemann'schen Vorschlages die Gewähr für wenigstens Beibehal-
tung des konfessionellen Charakters der Volksschulen und die Rede
des Ministers verheißt kirchliche Mitaufsicht und kirchliche Theil-
nahme am Besetzungsrechte bei den Confessionsschulen. Schlech-