Reichskanzler und Reichsminister.
Nach dem Entwurfe der Verfassung von 1867 sollte der
Reichskanzler nicht der Leiter der Reichspolitik, sondern nur der
Bevollmächtigte des Königs von Preußen zum Bundes=
rate und der Vorsitzende dieser Körperschaft sein. Er
war, wie Fürst Bismarck in der Reichstagssitzung vom 5. März
1878 sagte, „einfach das, was man in Frankfurt in bundes=
täglichen Zeiten einen Präsidialgesandten nannte, der seine In=
struktionen von dem preußischen Minister der auswärtigen An=
gelegenheiten zu empfangen hatte, und der nebenher das Prä=
sidiuim im Bundesrate hatte.“ Diese Stellung wurde bei
der Beratung der Verfassung von Grund geändert, durch einen
Antrag des Abg. v. Bennigsen, der dem heutigen Art. 17 der
Verfassung entspricht. Danach bedürfen Anordnungen und Ver=
fügungen des Bundespräsidiums der Gegenzeichnung des Kanzlers,
der dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. „Es wurde,“ so
führte Fürst Bismarck aus, „die Bedeutung des Reichskanzlers
plötzlich zu der eines kontrasignierenden Ministers und nach der
ganzen Stellung nicht mehr eines Unterstaatssekretärs für deutsche
Angelegenheiten im auswärtigen preußischen Ministerium, wie
es ursprünglich die Meinung war, sondern zu der eines leitenden
Reichsministers heraufgehoben.“ Deshalb wurde auch nicht, wie
der Ministerpräsident beabsichtigt hatte, Herr v. Savigny zum
Kanzler gemacht, sondern der Präsident des preußischen Staats=
ministeriums war genötigt, das Kanzleramt selbst zu übernehmen.²²)
Über die Stellung des Reichskanzlers hat sich Bismarck ins=
besondere im Zusammenhange mit der Reichsministerfrage ge=
äußert. Die Forderung eines verantwortlichen Bundesmini=
steriums wurde schon 1867 im verfassungsberatenden Reichstage
²²) efr. pag. 74 ff. Desgl. „Voss. Ztg.“ vom 23. März 1892.