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kannt wurde, rief er in den unitarisch gesinnten Kreisen eine
große Enttäuschung hervor, weil er den bundesstaatlichen Cha=
rakter, den der Verfassungsentwurf der Frankfurter National=
versammlung von 1848 zur Schau getragen hatte, ganz und
gar verleugnete. Man meinte, nach dem neuen Entwurfe würde
das Deutsche Reich im wesentlichen ein Staatenbund bleiben,
wie es der alte Deutsche Bund gewesen war; es würde nur das
Gebilde einer Deutschen Volksvertretung eingeschoben. Im ver=
fassungsgebenden Reichstage von 1867 kam es darüber zu heißen
Kämpfen. Es gab eine große Partei, die durch die Einschiebung
eines verantwortlichen Ministeriums, eines Oberhauses und
durch andere Bestimmungen das Reich in einen „wirklichen“
Bundesstaat verwandeln wollte. Fürst Bismarck blieb auf der
ganzen Linie mit seinen Entwürfen Sieger! Er stellte sich mit
aller Entschiedenheit auf die föderalistische Seite. Die außer=
preußischen Bundesstaaten und Regierungen sollten in ihrer
Souveränität und Stellung nicht in höherem Maße, als un=
bedingt nötig war, beeinträchtigt, der Föderalismus lediglich
durch einzelne unitarische Bestandteile modifiziert werden. Das
neue Kaisertum, das Bismarck wollte, unterschied sich wesentlich
von dem Kaisertum, das die Verfassung der Paulskirche vom
28. März 1849 annahm. Damals sollte der Erbkaiser Träger
der ganzen Reichsgewalt werden. Alle Fürsten, alle Staaten,
alle Deutschen wurden gleichermaßen seine Untertanen. Bismarck
verwarf diesen Plan, weil er den Beitritt der süddeutschen Staaten
verhindert hätte! Er griff auf die Erfurter Unionsverfassung
zurück, welche die Träger der landesherrlichen Gewalten zum
Subjekt der neuen Reichsgewalt machte und Preußen nur ge=
wisse Vorrechte erteilte.
Diese Konzession Bismarcks genügte den Partikularisten aber
nicht! In Bayern gibt es eine Schule, die unter der Führung Max
v. Seydels lehrt, das Reich sei eine Vielheit von Staaten, um
die sich bloß ein völkerrechtliches Band schlingt, also, kurz gesagt,
ein Staatenbund. Die Konsequenzen, die aus der Staatenbund=
theorie hervorgehen, sind der Anschauung, zu der sich Bismarck
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