Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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die Befreiung der Postanweisungen von der Steuer verteidigte 
und von dem württembergischen Bevollmächtigten hierin unter= 
stützt wurde. Mit 30 gegen 28 Stimmen wurde beschlossen, daß 
die Postanweisungsquittungen nicht besteuert werden sollten. Die 
Minderheit bestand aus Preußen, Bayern, Sachsen und Waldeck, 
die Mehrheit aus sämtlichen übrigen Staaten. Diese letzteren 
hatten zusammen 7 Millionen Einwohner, jene 34 Millionen. 
Daß die Vertreter von 34 Millionen durch die Vertreter von 
7 Millionen überstimmt werden können, ist immerhin ein un= 
natürliches Verhältnis. Doch hatte der Reichskanzler schon zwei= 
mal diese Anomalie ruhig hingenommen: bei der Frage von der 
Reichseisenbahn und bei der über den Sitz des Reichsgerichtes. 
Daß aber Vertreter von Reichsämtern, wie Hofmann und Fischer, 
sich in entgegengesetztem Sinne aussprachen, die verschiedenen 
Organe Bismarcks sich also selbst bekämpften, wies auf einen 
sehr bedeutenden Mangel an Disziplin hin. Das Bedenkliche 
der Sache wurde dadurch noch erhöht, daß von den 30 Stimmen 
der Mehrheit 16 durch Substitution sich in den Händen von 
2 Bundesratsmitgliedern befanden. Es hatte sich nämlich im 
Bundesrate die Sitte eingebürgert, daß viele Kleinstaaten aus 
finanziellen Rücksichten während einer ganzen Session keinen be= 
sonderen Vertreter in den Bundesrat schickten, sondern es be= 
quemer und wohlfeiler fanden, ihre Stimme durch irgend eines 
der anwesenden Bundesratsmitglieder abgeben zu lassen. So 
waren in jener Sitzung vom 3. April 13 Regierungen, welche 
zusammen 16 Stimmen hatten, nicht durch selbständige Be= 
vollmächtigte, sondern durch Substitution vertreten. Das ging 
noch über den alten Bundestag, wo Substitutionen zu den Aus= 
nahmen gehörten. Was halfen alle Erklärungen der Präsidial= 
macht im Bundesrat und alle Debatten, wenn mehr als die 
Hälfte der Regierungen, noch vor den Debatten, ihr „Ja“ oder 
„Nein“ bereits eingeschickt hatte und dieses Votum abgegeben 
werden mußte, selbst wenn das mit Substitutionsvollmacht ver= 
sehene Bundesratsmitglied für seinen eigenen Staat anders 
stimmte. Das waren ungesunde Zustände, welche nicht in den 
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