Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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bindung sei; daß es keine nationale, sondern eine internationale 
Organisation, kurz ein Staatenbund sei, eine verbesserte Neu= 
auflage des Deutschen Bundes, der im Jahre 1866 zu Grunde 
ging, beladen mit dem Haß und der Verachtung von drei Gene= 
rationen. Wäre das wirklich so, wäre das Deutsche Reich 
nichts als ein Staatsvertrag zwischen den deutschen Einzel= 
staaten, so würde diese Organisation niemals fest zusammen= 
halten, so würde sie immer kranken an dem Rechte der Kon= 
trahenten, von dem Vertrag zurücktreten zu können. Es gebe 
dann ein Sezessionsrecht und Eventualitäten, die mit dem Be= 
griff des Staatenbundes unvermeidlich verbunden sind. Ihnen 
wollte man einen Riegel vorschieben, als man überging von der 
Form des Staatenbundes zu der des Bundesstaates. In letzterem 
gebe es keine Sezession. Jeder Versuch auszutreten, wäre kein 
Vertragsbruch, sondern Hochverrat und Empörung. Bismarck 
mußte oft, weil er kein Unitarier, sondern ein Föderalist war, 
den Vorwurf hören, er sei Partikularist. Der Föderalismus, 
wie ihn Bismark auffaßte, setze aber die Staatseigenschaft des 
Reiches voraus. Das Reich ist auch für Bismarck der nationale 
Staat, der Staat der Deutschen. Die Reichsverfassung ist eine 
Staatsverfassung. Sie stelle einen Willen dar, der in sich selbst 
ruht und verschieden ist von dem Einzelwillen der fünfundzwanzig 
deutschen Staaten. Bismarck hätten sich oft Worte auf die Lippen 
gedrängt, die diese seine Auffassung beweisen. So sagte er: „die 
Einzelstaaten verhalten sich zum Gesamtstaat wie die Glieder 
zum Haupt.“ Er spricht von dem Reiche als dem „großen natio= 
nalen Gemeinwesen“ und von der „großen deutschen juristischen 
Persönlichkeit.“ Die Gegner dieser Auffassung leugneten diese 
Persönlichkeit und Selbständigkeit des Reiches. Ihnen sei das 
Reichsgesetz kein übergeordneter Wille, ein Reichsstaatsrecht gibt 
es für sie nicht, seine Institutionen erklären sie für Institutionen 
des Einzelstaates. Allen diesen Folgerungen aus grundfalschen 
Prämissen hielt Professor Anschütz eine Reihe Äußerungen aus 
dem Munde Bismarcks entgegen, die dessen gegenteilige Auf= 
fassung bezeugen.
	        
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