Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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jedem Ressort der Reichsverwaltung eigene Entscheidungen treffen 
kann. 
Im Monat November 1895 schrieben die „Hamburger Nach= 
richten“, an einen Artikel des „Hamb. Corresp.“ anknüpfend, der 
behauptet hatte, die Staatssekretäre im Auswärtigen Amte und 
im Reichsamte des Innern „seien seit längerer Zeit regelmäßig 
Mitglieder des preußischen Staatsministeriums.“ 
„Dieses „regelmäßig“ trifft nicht zu und ist eine Fiktion im 
Sinne der Änderung unserer staatlichen Einrichtung. Herr 
v. Boetticher, an dessen Stellung der offiziöse Artikel anknüpft, 
hat nie als regelmäßiges Mitglied des preußischen Staats= 
ministeriums in Funktion gestanden, sondern nur als Vertreter 
der reichskanzlerischen und der Reichspolitik innerhalb des preußi= 
schen Ministeriums in all den Fällen, wo der Reichskanzler selbst 
nicht imstande war, die Reichsinteressen wahrzunehmen. Er ist 
preußischer Minister, ebenso wie Delbrück und Hofmann, immer 
nur als Hilfsarbeiter des Ministerpräsidenten in dessen Eigen= 
schaft als Reichskanzler gewesen. 
Die auswärtigen Angelegenheiten hat Fürst Bismarck, so 
lange er gesund genug war, stets sich selbst vorbehalten und nur 
in der letzten Zeit seines Amtes seinen Sohn, den Grafen Her= 
bert, nachdem er ihn ein Jahrzehnt hindurch in alle Verhältnisse 
selbst eingeweiht hatte, als Vertreter auch der auswärtigen Poli= 
tik im preußischen Staatsministerium herangezogen. Es geschah 
dies in dem Sinne, den Fürst Bismarck neuerdings auch öffent= 
lich vertreten hat, die einzelnen Bundesregierungen an der 
Reichsregierung und selbst an deren auswärtiger Politik leb= 
hafter, als es bis dahin der Fall war, zu beteiligen. Die Ver= 
leihung des preußischen Ministertitels an den Grafen Herbert in 
seiner Eigenschaft als Staatssekretär des Äußeren im Reiche er= 
folgte erst unter Kaiser Friedrich, der geneigt war, dem Grafen 
Herbert nach Analogie des fürstlichen Hauses Pleß den Prinzen= 
titel zu verleihen, wogegen Fürst Bismarck Widerspruch erhob, 
und bat, wenn seinem Sohne eine Gnade erzeigt werden solle, 
ihn zum Mitglied des preußischen Staatsministeriums zu er=
	        
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