Full text: Bismarcks Staatsrecht.

136 
selbständige Stellung und das Recht freier Abstimmung habe. 
Der Satz paßt auf alle Minister, die ein Ressort haben, aber 
nicht auf diejenigen Reichsbeamten, die lediglich zur Unterstützung 
der Reichspolitik als Beistände des Reichskanzlers bei Ab= oder 
Anwesenheit ihres Vorgesetzten zu preußischen Staatsministern 
ernannt worden sind. Wenn der offiziöse Artikel damit schließt, 
daß „beide Staatssekretäre“ in wichtigen Einzelfragen im preußi= 
schen Staatsministerium abweichend von dem Reichskanzler ge= 
stimmt hatten, so ist das eine Unwahrheit insofern, als der 
Staatssekretär des Auswärtigen dabei mit einbegriffen erscheint; 
und daß der Staatssekretär des Innern gegen den Reichskanzler 
gestimmt hat, trifft doch nur für die letzte Staatsministerial= 
sitzung zu, nachdem dem ersten Reichskanzler die Kaiserliche Auto= 
rität nicht mehr zur Seite stand, und belastet nur Herrn 
v. Boetticher. Hierin wurzelt, wie wir glauben, die Kritik, die 
von seiten des ersten Reichskanzlers das Verhalten des genannten 
Staatssekretärs treffen mag.“ 
Interessant in Beziehung auf die Stellung der Staats= 
sekretäre ist ein Aufsatz, den Herr von Poschinger über Delbrück 
und seinen Nachfolger Hofmann vor Jahren in der „Deutschen 
Revue“ veröffentlichte: 
„Der Abgang Delbrücks bedeutete mehr als die bloße Er= 
ledigung der Präsidentschaft im Reichskanzleramt; es war damit 
ein gewaltiges Vakuum entstanden, welches sich nach dem be= 
kannten physikalischen Gesetze ausfüllen mußte. Eine Kraft, 
welche Delbrück mit all seinen Kenntnissen, Beziehungen und 
Erfahrungen vollständig hätte ersetzen können, war nicht vor= 
handen; so wurde denn zu seinem Nachfolger eine Persönlichkeit 
auserwählt, welche wenigstens zur Führung der Geschäfte des 
Reichskanzleramtes geeignet erschien, der großherzoglich hessische 
Staatsminister Hofmann, ehedem hessischer Bevollmächtigter beim 
Bundesrat. Es wird behauptet, daß Delbrück selbst ihn dem 
Reichskanzler zu seinem Nachfolger vorgeschlagen habe. 
Die Schwierigkeit der Verhältnisse, unter denen der neue 
Präsident des Reichskanzleramts die Erbschaft Delbrücks antrat,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.