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mehr in seine Hände zu nehmen und sich mit obersten Reichs=
beamten zu umgeben, die gewillt waren — soweit es sich nicht
um technische Fragen handelte — ganz nach seinen Direktiven
zu verfahren. Hofmann sollte nach Bismarcks Intentionen und
ausdrücklichen Instruktionen ihm gegenüber im inneren Ressort
etwa die Stellung einnehmen, wie sie der Staatssekretär
v. Bülow ³⁰) im äußeren Ressort inne hatte, das heißt so viel als
ausschließlich im Geiste des Chefs die Geschäfte führen, nichts
neues beginnen, ohne den Kanzler zu fragen, in einer be=
gonnenen Sache keinen entscheidenden Schritt tun, ohne sich
wiederum seines Einverständnisses versichert zu haben. Bülow
hatte sich in Bismarck ganz hineingelebt; schon in Frankfurt am
Main hatte er gelernt, seine Größe voll zu würdigen und es
sich später als ein schönes Lebensziel gesteckt, ganz im Dienste
dieses Mannes aufzugehen und alle persönlichen Ambitionen
und Ansichten zurücktreten zu lassen. Seine Beschäftigung im
auswärtigen Ressort, wo naturgemäß nur der Wille eines
Mannes maßgebend sein kann, erleichterte ihm gewiß die Über=
nahme einer solchen Stellung unter dem von beispiellosen diplo=
matischen Erfolgen gekrönten Kanzler. Schwieriger erwies sich
die Sache für Hofmann, der als unabhängiger Mann in eine
Stellung eintrat, die er sich nicht in dem Maße unselbständig
vorgestellt hatte, wie sie Bismarck jetzt zu gestalten geneigt war.
Der Letztere hatte — was man gleichfalls nicht übersehen darf
— damals in den inneren Fragen noch lange nicht die Autorität,
wie er sie später erlangte, so daß die Unterordnung unter ihn
für einen mit dem wünschenswerten Selbstbewußtsein ausge=
statteten Minister immerhin nicht leicht sein mochte.
Auch sonst hatte sich in der Rolle des die Vorträge Ent=
gegennehmenden und des Vortragenden seit Delbrück manches
geändert. Aus dem Bundeskanzler von damals, welcher der
fremden Autorität geduldig folgte, war ein Reichskanzler heraus=
gewachsen, der sich für alles interessierte, der nach allen Rich=
³⁰) Vater des jetzigen Reichskanzlers.