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Kaisers erforderlich. Dem Kaiser und König steht das Recht der
Vertagung gegenüber dem Reichstage, wie dem Landtage zu.
Als im Jahre 1883 davon Gebrauch gemacht wurde, ließ Bis=
marck amtlich darauf hinweisen ⁴⁰), daß die Verfassungsbestim=
mungen, welche die Vertagungsinitiative der Regierungen vor=
behalten, wohl erwogen sind, und daß ein faktisch unbe=
grenztes Selbstvertagungsrecht der gesetzgebenden Körper den=
selben nicht entsprechen würde. Allerdings giebt Art. 27 der
Reichsverfassung dem Reichstag das Recht, seinen Geschäftsgang
und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung zu regeln.
Dasselbe Recht gibt Art. 78 der preußischen Verfassung jedem
Hause des Landtags, und die Geschäftsordumgen der ver=
schiedenen Körper gewähren den Präsidenten die Befugnis, die
Sitzungen anzuberaumen. Daß damit aber den Präsidien der
gesetzgebenden Körper, bezw. diesen selbst, die Macht gegeben sei,
längere Unterbrechungen der Sitzungen eintreten zu lassen, sei
entschieden in Abrede zu stellen.
Die erwähnten Verfassungsbestimmungen gingen von der zu=
treffenden Erwägung aus, daß der oberste Träger der Exekutiv=
gewalt, vermöge der ihm allein innewohnenden Möglichkeit, den
Gang der staatlichen Geschäfte vollständig zu übersehen, auch
allein eine sichere Entscheidung darüber zu treffen im stande sei,
wenn die Einberufung und das Zusammensein der gesetzgeben=
den Körperschaften den Bedürfnissen der Staatsverwaltung ent=
spricht. Aus diesem Grunde sei im Art. 52 der preußischen ⁴¹)
und im Art. 12 der Reichsverfassung ⁴²) dem Kaiser das aus=
schließliche Recht der Einberufung, wie der Vertagung und
⁴⁰) efr. „Provinzial=Correspondenz“ v. 29. März 1883.
⁴1) Artikel 52 der „Verfassungsurkunde für den preußischen Staat“ sagt:
„Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung darf diese
Vertagung die Frist von dreißig Tagen nicht übersteigen und während derselben
Session nicht wiederholt werden“ efr. hierzu Art. 72 der „Verfassungs=Urkunde
für den preußischen Staat.“
⁴²) Artikel 12 der „R. V.“ lautet: „Dem Kaiser steht es zu, den Bundestag
und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen.
efr. hierzu Art. 24, 25 und 26 der „R. V.“