Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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und wer es für konstitutionell notwendig, oder wenigstens finanz= 
politisch für sehr zweckmäßig hielt, daß in solchem Falle die 
Volksvertretung auf eine Minderung der in ihrem Gesamtertrag 
zu hohen Abgaben direkt einwirken könne, mußte angesichts der 
Tatsache, daß eine solche Einwirkung in dem größten deutschen 
Staate ausgeschlossen ist, sehr zu einem verneinenden Votum 
geneigt sein. So ist dem Zollparlament erst der dritte Versuch 
einer Reform des Zolltarifs, für welche an und für sich von 
vornherein die Majorität wohl geneigt war, in der dritten und 
letzten Tagung (1870) jener ephemeren Körperschaft gelungen; 
bei den beiden ersten Versuchen (1868 und 1869) lag allerdings 
auch in dem Petroleumzoll ein Stein des Anstoßes vor. Aber auch 
der andere Gesichtspunkt, daß der neue Tarif in Verbindung 
mit der Steuer und dem Zoll von Zucker voraussichtlich nicht 
unerhebliche Mehreinnahmen liefern werde, ohne daß der Volks= 
vertretung, namentlich in Preußen, Mittel zuständen, auf eine 
entsprechende Minderung anderer Abgaben hinzuwirken, war 
von bedeutendem Einfluß für die Ablehnung, und die gleiche 
Rücksicht bestimmte die Majorität im Jahre 1870, den neuen 
Tarif nur unter der Bedingung anzunehmen, daß (nicht aus 
Freihandelsrücksichten, sondern um die Zolleinnahmen zu mindern) 
einige Positionen desselben etwas herabgesetzt wurden. Im vor= 
hergehenden Jahre war das Gesetz über Zoll und Steuer von 
Zucker, obgleich man über die Sache selbst einig war, in Gefahr, 
zu scheitern, weil den aus demselben zu erwartenden Einnahmen 
nicht mehr die mit der projektierten, aber mittlerweile zu Fall 
gekommenen Tarifreform verbundenen Einnahmeausfälle gegen= 
überständen. In beiden Fällen war der Fortschritt, in dem 
letzten auch ein Teil der Nationalliberalen (Lasker, Bamberger) 
in der Opposition. Auch bei der Zerpflückung des berühmten 
v. d. Heydtschen Steuerbonquets (1869) hat neben vielen anderen 
Ursachen der Gedanke mitgewirkt, der Reichstag könne nicht 
bleibende Mehreinnahmen bewilligen, ohne Garantie dafür, daß, 
wenn infolge davon in den Einzelstaaten bleibende Überschüsse 
sich ergeben sollten, andere Abgaben entsprechend herabgesetzt 
Bismarcks Staatsrecht. 11
	        
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