Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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punkte, und ernster gemeint, sind meines Erachtens diejenigen 
vom partikularistischen. Unter Partikularismus denkt man sich 
sonst eine widerstrebende Dynastie, eine widerstrebende Kaste in 
irgend einem Staate, die sich der Herstellung gemeinsamer Ein= 
richtungen aus Sonderinteressen entgegenstellt. Wir haben es 
heute mit einer neuen Spezies von Partikularismus zu tun, 
mit dem parlamentarischen Partikularismus. Früher 
hieß es vom dynastischen Standpunkte aus: „hie Waiblingen, 
hie Welf;“ jetzt heißt es: „hie Landtag, hie Reichstag!“ Das 
Recht, das der preußische Landtag hat, zu unseren Vereinbarungen 
hier „nein“ zu sagen, es ist schon vorhin von anderer Seite 
hervorgehoben, und ich glaube es wird niemand ernstlich be= 
streiten, und sich dem gegenüber auf die Macht berufen. Dieses 
Recht hat ein jeder Landtag, so klein oder so groß er sein mag; 
denn wir wollen nicht in einer gewalttätigen, sondern in einer 
rechtlichen Gemeinschaft leben. Bis jetzt aber sind die Wider= 
sprüche der übrigen Landtage auf dieser Tribüne nicht in einer 
gleichen Weise angemeldet worden, wie die des preußischen Land= 
tages, und zwar von Seiten, von denen es mich überrascht hat. 
Der Vertreter einer norddeutschen Republik begeistert sich plötz= 
lich für die monarchische Verfassung Preußens. Ein katholischer 
Geistlicher stellt diese selbe Verfassung mit dem Heile seiner 
Seele an dem Leitfaden eines Bibelspruches auf dieselbe Höhe, 
und sprach zu uns in Ton und Worten, die tiefste Erschütterung 
darüber verratend, daß an dieser Verfassung auch nur ein Artikel 
geändert werden könnte, auf gesetzmäßigem Wege, wohlverstanden! 
Ich zweifle keinen Augenblick an der aufrichtigen Überzeugung, 
mit der diese Worte gesprochen wurden, aber überrascht hat es 
mich, daß Redner die Wirkung davon abschwächte durch einen 
scherzhaften Seitenhieb auf meine Person, „ich würde mir auch 
zu helfen wissen, wenn hier nichts zustande käme.“ Ob ich mir 
in diesem Falle zu helfen wüßte, das will ich hier unerörtert 
lassen; ich würde mir aber nicht helfen. Ich habe meinem Könige 
und Lande niemals den Dienst versagt; in einem solchen Falle 
aber würde ich ihn versagen, und würde denjenigen, die das
	        
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