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Antrag, für Ersatz desselben gesorgt worden wäre. Hat der
Reichstag bei der Zoll= und Steuerreform an seinen Budget=
rechten garnichts verloren, so hat er auch nichts gewonnen.
Mittelbar aber ist es seinem Einfluß gelungen, in den preußischen
Verhältnissen eine gewisse, seinen Bestrebungen entsprechende
Veränderung herbeizuführen. In Wiederaufnahme eines schon
einmal (1869) von Lasker angeregten Gedankens wurde durch
die Bemühung des preußischen Finanzministers Hobrecht, und
unter Zusammenwirken der Nationalliberalen und der Frei=
konservativen, für Preußen die Bestimmung getroffen, daß die
Mehreinnahmen bezw. Minderausgaben an Matrikularbeiträgen,
welche für Preußen aus der Erhöhung der Reichszölle und
Steuern sich ergeben würden, soweit sie nicht zu gewissen
anderen, zum voraus spezifizierten Zwecken mit Zustimmung des
Landtages Verwendung fänden, in bestimmtem Betrage an der
Klassen= und Einkommensteuer nachgelassen werden sollten. Also
auch hier kein periodisch wirksames Steuerbewilligungsrecht,
keine bewegliche Steuer, deren Höhe jeweilig durch das Etats=
gesetz festgesetzt wird. Aber der Volksvertretung ist doch, ehe
durch ihre bezw. des an ihre Stelle tretenden Reichstages Be=
schlüsse eine bedeutende Vermehrung der Staatseinnahmen be=
willigt wurde, eine volle Einwirkung auf die Verwendung der
erwarteten Mehreinnahmen zugestanden und dadurch eines der
hauptsächlichsten Bedenken beseitigt worden, welches in dem
Reichstage so lange jedem Versuch einer beträchtlichen, in ihrem
schließlichen Effekt den Einzelstaaten zu gute kommenden Stei=
gerung der Reichseinnahmen sich entgegengestemmt hatte.
„Als das Deutsche Reich begründet wurde — schreibt ein
freisinniges Blatt — war es unvermeidlich, dem Reichstage das
volle Budgetrecht zu gewähren. ⁴⁵) Der Reichstag stand völlig
anders da, als der preußische Landtag. Der Landtag besaß
kein anderes Recht, als das, was bei der Umwandlung Preußens
aus einem absoluten in einen konstitutionellen Staat für ihn
⁴⁵) efr. „Voss. Ztg.“, März 1897.
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