Die Privilegien der Reichstags=
mitglieder.
In der Sitzung des Reichstages vom 29. März 1867 stand
der jetzige Artikel 22 der Reichsverfassung, der „von den Ver=
handlungen des Reichstages= spricht, im Entwurf zur Diskussion.
Die Linke wünschte eine Erweiterung, dahingehend, daß Berichte
über die Sitzungen von jeder Verantwortlichkeit frei bleiben
sollten. Hierzu äußerte sich der damalige Graf v. Bismarck wie
folgt:
„Die verbündeten Regierungen befürchten von der Freiheit
der Veröffentlichung der Parlamentsreden keine Gefahr. Wir
haben gesehen, daß Reden aus dem preußischen Abgeordneten=
hause, wie sie wohl stärker in keiner Versammlung dieser Art
gehalten waren, veröffentlicht wurden ohne jegliche Gefahr. Die
Gründe, die uns veranlaßt haben und mich bei einer anderen
Gelegenheit persönlich —, einer solchen gesetzlichen Bestimmung,
wie sie hier von jener Seite (links) befürwortet wird, zu wider=
sprechen, sind andere; ich kann sie wohl bezeichnen als Gründe
der Sittlichkeit. Es gibt viele Dinge, die ein Staat dulden
kann — er kann sie ignorieren; aber etwas anderes ist es, sie
gesetzlich zu sanktionieren. Dazu rechne ich auch das Recht,
einen anderen Mitbürger zu beleidigen, ohne daß er irgend eine
Genugtuung dafür finden könnte. Ich will von Verbrechen, die
man mit Worten begehen kann, nicht reden; ich rechne garnicht
darauf, daß sie an der Stelle begangen werden würden. Ich
will nur reden vom Schutze der Ehre eines jeden Bürgers,