Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Bundesrate entschieden geltend zu machen, um jederzeit eine 
Mehrheit der Stimmen zu gewinnen, begegnete er wie folgt: 
„Daß im Bundesrat, wenn Preußen für die Sache stimmte, 
wahrscheinlich eine Mehrheit dafür zu gewinnen sein würde, habe 
ich nicht bestritten. Ich habe nur die Zweckmäßigkeit der Be= 
nutzung dieses Stimmenübergewichts in diesem Augenblick in 
Zweifel gestellt; ich habe angedeutet, daß es mit meiner Auffassung 
der Bundespolitik, und nur nach dieser kann ich und werde ich 
handeln, nicht übereinstimmt, von der Möglichkeit in diesem 
Falle eine Mehrheit zu erringen, Gebrauch zu machen. 
So dringlich ist die Gefahr nicht, die der Art. 81 über die 
preußischen Abgeordneten verhängt, daß ich darum den Bund in 
seiner tiefsten prinziellen Grundlage durch Anregung der Kom= 
petenzfrage beunruhigen sollte, durch die Frage z. B.: kann mit 
einfacher Mehrheit hier entschieden werden, oder ist dazu die 
größere Anzahl erforderlich, die eine Verfassungsabänderung des 
Bundes bedingt? Durch die Frage: kann die einfache Majorität 
darüber entscheiden, ob ein solcher Fall vorliegt, ob hier der 
Bund zur Gesetzgebung berechtigt ist? eine Frage, an der der 
alte Bund zum Teil zu Grunde gegangen ist, und an der jeden 
Tag die Möglichkeit lag, ihn zu sprengen — diese Frage, in 
diesem Augenblick über diesen Gegenstand im Bundesrat anzu= 
bringen, dazu werden Sie mich unter keinen Umständen bringen.“ 
Der Reichstag nahm mit 140 gegen 51 Stimmen den er= 
wähnten Antrag an, obwohl man sich nach den Äußerungen des 
Bundeskanzlers wohl nicht darüber täuschen konnte, daß eine 
Aussicht auf Annahme des vorgeschlagenen Gesetzes seitens des 
Bundesrates kaum vorhanden war. 
Infolge der Verhaftung des sozialdemokratischen Abgeordneten 
Mende in Gladbach während der Session von 1869 beantragten 
dessen Freunde auf Grund des Art. 31 der Verfassung ⁴⁷) in der 
⁴⁷) efr. „R. V.“ Art. 31, Abs. 1: Ohne Genehmigung des Reichstages kann 
kein Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe be= 
drohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn 
er bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.
	        
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