177
in Erfüllung dieser Pflicht nicht irre werden, auch wenn ihr
Ausspruch in diesem Falle sie ihnen für die Zukunft erschweren
sollte.“
Über die Vorgänge in Gladbach teilte der Bundeskanzler
mit, was bis dahin der Regierung gemeldet war. Danach hatte
der Abgeordnete Mende bei Besprechung der sozialen Frage unter
anderem gesagt: „dieselbe müßte und würde gelöst werden, ent=
weder friedlich oder, wenn das nicht ginge, mit allen Schrecken
der Revolution. Er hatte ferner die Versammlung zum Wider=
stand gegen die Polizei aufgefordert und geäußert: er stehe ein
für alles Ungesetzliche, was geschehe, und damit hatte der durch
ihn hervorgerufene Angriff begonnen. Seitens des Reichstages
wurde dem Antrage auf sofortige Entlassung des Abgeordneten
Mende in der erwähnten Sitzung nicht ohne weiteres Folge ge=
geben, vielmehr die Sache der Geschäftsordnungskommission zur
schleunigen Berichterstattung überwiesen. In der Sitzung vom
3. Mai kam die Angelegenheit von neuem zur Beratung. Da
die zuständige Gerichtsbehörde erklärt hatte, daß durch die sofortige
Entlassung des Abgeordneten Mende eine Verdunkelung des
Sachverhalts und eine Verzögerung des Untersuchungsverfahrens
zum Nachteile der übrigen 22 verhafteten Mitangeklagten herbei=
geführt werden würde, so schlug die Geschäftsführungskommission
vor, über den Antrag auf sofortige Freilassung zur Zeit noch
keinen Beschluß zu fassen, sondern erst weitere Erklärungen der
Gerichtsbehörde zum 5. Mai einzufordern. Von anderer Seite
wurde jedoch im Reichstage beantragt, ohne weiteren Aufschub
die Aufhebung der Untersuchungshaft zu verlangen. Dieser
Antrag wurde nach lebhafter Erörterung mit 109 gegen 90
Stimmen angenommen. Die Freilassung des Abgeordneten
Mende wurde demzufolge verfügt.
Durch Erkenntnis des Obertribunals vom 23. September 1874
war der Abgeordnete Dr. Majunke ⁴⁹) rechtskräftig vor der am
29. Oktober 1874 erfolgten Eröffnung der Sitzungsperiode des
⁴⁹) efr. „Vossische Ztg.“ vom 10. Mai 1893.
Bismarcks Staatsrecht. 12