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Gneist vertreten. Der damalige Polizeipräsident von Berlin war
über die Bedeutung des Art. 31 sichtlich entgegengesetzter An=
schauung. Denn der Berichterstatter teilte am 16. Dezember 1874
im Reichstage mit:
Inzwischen war auch das Königliche Polizeipräsidium requiriert
worden, auf den Angeklagten zum Zweck seiner Einlieferung in
das Strafgefängnis zu vigilieren. Das Königliche Polizeipräsidium
reichte jedoch die an dasselbe ergangene Requisition am 30. Oktober
mit dem Bemerken zurück, daß es wegen der inzwischen erfolgten
Eröffnung des Reichstags Bedenken trüge, der Requisition Folge
zu leisten.
Darauf beschloß, wie ebenfalls der Berichterstatter, Abge=
ordneter Dr. Harnier, mitteilte, das Stadtgericht am 31. Oktober,
von der Strafvollstreckung überhaupt vorläufig Abstand zu
nehmen. Auf Beschwerde des Staatsanwalts wurde dieser Be=
schluß vom Kammergericht aufgehoben und demgemäß der Polizei
die Abführung Dr. Majunkes nach Plötzensee befohlen.
Als der Reichstag den Antrag Lasker beriet, schien die ein=
stimmige Meinung dahin zu gehen, daß sich der Artikel 31 un=
zweifelhaft auch auf die Strafhaft beziehe. Eine Reihe von
Abgeordneten wurde jedoch zweifelhaft, als man erfuhr, daß
Fürst Bismarck sehr entschieden anderer Meinung sei. Lasker
führte am 16. Dezember aus:
„Wer den ursprünglichen Entwurf der in das spätere Ver=
fastungswerk eingedrungenen Anträge kennt und den Namen
Waldeck mit dem heutigen Text in Verbindung bringt, wird mir
zugestehen, daß schwerlich die Absicht vorgelegen hat, der preußi=
schen Verfassung einen Wortlaut zu geben, der den Schutz des
Hauses gegen das, was damals in Deutschland allgemeine
Meinung und gültiges Verfassungsrecht war, beschränken sollte.
Ich berufe mich auf Zachariae, der es als zweifellos feststellt,
daß die Vollstreckung der Strafhaft ohne Genehmigung der
Parlamentskörper nicht gestattet sei nach den Vorschriften der
deutschen Verfassung . . . Ich berufe mich darauf, daß die aller=
meisten, welche bisher die Verfassung nur allgemein gelesen
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