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haben, immer der Meinung gelebt haben, es sei auch die Ver=
haftung als Vollstreckung ohne Zustimmung des Reichstags nicht
zulässig. In der Kommission haben die meisten ihr Votum so
begonnen: „bis gestern habe ich als unzweifelhaft geglaubt, daß
die Verhaftung nicht zulässig sei“ — unter anderen der Abge=
ordnete v. Mohl. Und ich bekenne mich auch als solchen, der
bis zu dem jüngsten Vorfall gemeint hat, es sei dieses Ver=
fassungsrecht völlig unstreitig. . . .“
Es wurde im Laufe der Verhandlung festgestellt, daß in
früheren Fällen, den Abgeordneten Liebknecht, Most, Sonne=
mann und Duncker gegenüber, die Strafvollstreckung tatsächlich
bis nach Schluß der Session ausgesetzt worden war. Derselben
Anschauung wie Lasker gab der Abgeordnete Dr. Windthorst
Ausdruck. Er führte aus:
„Es heißt im Artikel 31 ganz generell „oder verhaftet
werden“, das hat auch seinen guten inneren Grund. Anders
ist die Sache, wenn aus der Mitte des Reichstags weg ein Ab=
geordneter geholt werden soll, wenn er gleichsam aus dem Besitz
des Hauses weggeholt werden soll, und ein anderes ist es, wenn
das Haus jemanden aus dem Besitze des Gerichtes herausholen
will — welche Frage in Artikel 31 in dem dritten Absatz gelöst
wird . . .⁵¹) Wäre aber wirklich die Sache zweifelhaft, dann,
meine ich, haben wir doch ein großes Interesse, die Privilegien,
die wir aus der Verfassung herausbringen können, festzuhalten
und sie uns nicht selbst wegzudisputieren.“
Die Beteiligung an den Verhandlungen des Reichstages
sei, so fuhr Windthorst fort, auch mindestens ebenso wichtig, wie
irgend welche anderen dringenden Geschäfte, deretwegen der
Vollzug der Strafe in hundert Fällen ausgesetzt werde.
Der Antrag Hoverbeck wurde vom Reichstage in zwei ver=
schiedenen Abstimmungen angenommen. Der Bundesrat trat
⁵¹) Art. 31, Abs. 3 lautet: „Auf Verlangen des Reichstages wird jedes
Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs= oder Zivil-
haft für die Daer der Sitzungsperiode aufgehoben.“