182
Für die Beantwortung der Frage, ob, wie die Staatsanwaltschaft
meine, diese Akte des Landgerichts den Lauf der Verjährung
unterbrochen haben, bedurfte es zuvörderst einer Erörterung über
den Sinn und den Umfang des im Art. 31 der Verfassung
dem Reichstage beigelegten Privilegiums, insbesondere über die
Tragweite, welche der Artikel dem im Abs. 3 gebrauchten Aus=
druck „jedes Strafverfahren“ beigelegt hat. Wie nun die Ver=
handlungen des Reichstages des norddeutschen Bundes ergeben,
hat der Artikel seine jetzige, mit dem Wortlaute des Art. 84
der Preußischen Verfassungsurkunde übereinstimmende Fassung
infolge des Antrages eines Abgeordneten erhalten, der seinen
Antrag durch den Hinweis auf die Angemessenheit dieser Über=
einstimmung begründete. Es ist daher zur Interpretation des
Art. 31 ein Zurückgehen auf die Entstehungsgeschichte des
Art. 84 gerechtfertigt und ergibt diese, daß er aus der Ver=
fassungsurkunde vom 5. Dezember 1848 entnommen, welche im
Art. 83 bestimmte, daß jedes Strafverfahren gegen ein Mit=
glied der Kammer für die Dauer der Sitzung aufzuheben sei,
wenn die betreffende Kammer es verlangt. Schon diese Ent=
stehungsgeschichte läßt erkennen, daß man darauf verzichten muß,
den Inhalt des Art. 31 aus den Grundsätzen und Normen
der jetzt geltenden Strafprozeßordnung oder der früheren Preußi=
schen Verordnung vom 3. Januar 1849, in Verbindung mit dem
Gesetz vom 3. Mai 1852, zu erläutern. Sieht man nach den
Gründen, welche den Reichstag zur Aufnahme des Artikels 31
in die Verfassung bestimmt haben, so zeigen sich als maßgebend
einesteils die Furcht vor tendenziöser Verfolgung einzelner Ab=
geordneten seitens der Regierung und ihrer Organe, andernteils
die Erwägung, daß der Versammlung bei ihren Beratungen die
Beihilfe keines ihrer Mitglieder entzogen werden dürfe, und end=
lich die Betrachtung, daß das Interesse des Reichstages höher
stehe als die Einbuße, welche die Rechtspflege durch die zeitweise
Sistierung der Untersuchung erleide. Gestützt auf diese Motive
des Reichstages und unter dem Hinweis auf den inneren Zu=
sammenhang der Abs. 1 und 3 des Art. 31, sowie auf die